Haldex HD (GRAU-Bremse) abgewickelt

Vorschaubild

24.09.2020 Die ersten Kolleg*innen wechselten am 30. Juni in die Transfergesellschaft. Weitere folgen Ende September und Ende Dezember. Damit endet auch ein Teil Heidelberger Industrie- und IG Metall-Geschichte.

Die ersten Kolleginnen und Kollegen der Haldex Heidelberg mussten bereits am 30. Juni ausscheiden und in die Transfergesellschaft "Weitblick" wechseln. Der Großteil der knapp 100 Beschäftigten folgt Ende September, die letzten am 31.12. Damit geht auch ein Kapitel Heidelberger Industrie- und IG Metall-Geschichte zu Ende.

Die ehemalige GRAU-Bremse (1980 noch 930 Beschäftigte) ist nach 95 Jahren Geschichte. Der Traditions- und frühere Pfaffengrunder Familienbetrieb (seit 1998 unter dem schwedischen Unternehmen Haldex, davor 14 Jahre beim US-Konzern Echlin) befindet sich in der endgültigen Abwicklung. Nach Abschluss des Interessenausgleichs und Sozialplans im März wurde die Produktion Ende Juni nach Ungarn verlagert, die restliche Entwicklung nach England. Seit Juli ist die Belegschaft überwiegend freigestellt, unter Fortzahlung des Entgelts.

Das Gebäude ist inzwischen nahezu verwaist. Zum 1. Juli sind von den 79 Betroffenen zunächst 13 Beschäftigte (mit kürzeren Kündigungsfristen) in die Transfergesellschaft übergegangen, zwei Jüngere von ihnen konnten inzwischen eine Ausbildung beginnen. 53 müssen ab Oktober zu "Weitblick", die letzten 13 ab Januar. Nach Überprüfungen der Beendigungs-Unterlagen und Abfindungen durch den Betriebsratsvorsitzenden und den Schwerbehindertenvertreter mussten im April in über 50 Fällen nachträglich Korrekturen vorgenommen werden, in zwei Fällen waren die Abfindungs-Fehlbeträge sogar fünfstellig. Das Durchschnittsalter der 79 Kolleginnen und Kollegen liegt über 50, im Schnitt haben sie über 20 Jahre im Betrieb gearbeitet. Nach zumeist einem Jahr Transferkurzarbeitergeld steht ihnen 2021 wohl überwiegend der Gang zum Arbeitsamt bevor.

Acht verbleibende Rest-Beschäftigte (neben Leitenden eine Handvoll Angestellte aus Buchhaltung, Logistik und IT) sollen Anfang November von Wieblingen in eine gemietete 300 Quadratmeter große Bürofläche in der Heinrich-Fuchs-Straße in Heidelberg-Rohrbach umziehen. Die mittlerweile in Haldex GmbH umbenannte Firma existiert dann auf dem Gelände der in den 90er Jahren abgewickelten Furukawa-Fabrik (ehemals Harvester, ursprünglich Fuchs-Waggonfabrik). 11 weitere Haldex-Angestellte im Kundendienst bleiben wie bisher bundesweit verstreut im Home-Office.

Heidelberg Instruments zieht ins Wieblinger Werk ein

Der neue Eigentümer der 2002 gebauten Fabrik (250 Beschäftigte an weltweit zehn Standorten) ist auf Expansionskurs und investiert einen "deutlich siebenstelligen Betrag in Produktion, Sauber- und Reinraum und ein automatisiertes Hochregallager". Momentan wird umgebaut und dem Wieblinger Werk auch außen ein neuer Anstrich verpasst. Das bisher im Industriegebiet Rohrbach-Süd angesiedelte Unternehmen, als Entwickler und Hersteller Marktführer im High Tech-Nischenmarkt Präzisionsmaschinen für Mikrofabrikation (Laser-Lithografie), hat vor, aus den bisher zwei Produktionshallen in Wieblingen eine zu machen. Mit 170 Beschäftigten will die Heidelberg Instruments Mikrotechnik GmbH (HIMT) ab dem ersten Quartal 2021 dort auf 10.000 Quadratmeter ihre "aufwendigen Drucker" (zum Beispiel für Projektionsvorlagen für die Fertigung von Handy-Leiterplatten, Displays oder Flachbildschirmen) produzieren. Nach Angaben des Unternehmens lege man derzeit "pro Jahr um rund 15 Prozent zu, sowohl beim Umsatz als auch bei den Beschäftigten" (RNZ, 18./19.07.2020).

Haldex durch Krise und Management-Chaos angeschlagen

Während Knorr-Bremse, Weltmarktführer im Nutzfahrzeugbremsen-Zulieferbereich, im ersten Halbjahr 24 Prozent Umsatzrückgang verzeichnete, bei weiter 12 Prozent EBITDA-Gewinnmarge (2019 16,3 Prozent), musste Haldex im zweiten Quartal einen Totaleinbruch von 37 Prozent beim Umsatz und bei der "bereinigten Ergebnismarge" von 6,5 auf minus 0,3 Prozent beklagen. Nach Verlagerung der Heidelberger Montage wurde die Beschäftigtenzahl in Ungarn bisher nur um acht auf 304 erhöht. Trotzdem weiß Haldex-CEO Helene Svahn in ihrem Halbjahresbericht von "interessanten Dialogen mit potenziellen Kunden in Europa, USA und China" zu erzählen; und unter lautem Pfeifen im Wald träumt der Vorstand weiter von einer "operativen Marge von zehn Prozent".

Tatsächlich wurden im Juni der Aufsichtsratsvorsitzende und drei Vorstandsmitglieder ausgetauscht. Im Mai mussten außerdem Aktien-Neuemissionen von einem Zehntel vorgenommen werden, um Kredit-Verlängerungen bis 2022 zu erreichen und gleichzeitig den größten Aktionär und Großkonkurrenten Knorr-Bremse wenigstens von über zehn (Sperrminorität) auf rund neun Prozent der Haldex-Aktien drücken zu können. Zu erwartende Qualitäts- und Lieferschwierigkeiten in Ungarn und andauernde Entwicklungsprobleme in England dürften die Luft eher noch dünner machen. Während zu Zeiten des Bietergefechts zwischen ZF und Knorr-Bremse 2016/17 der Gesamtwert der Haldex-Aktien noch mit über 550 Millionen Euro geführt wurde, dümpelt er heute bei etwa 190 Millionen. Ein Kauf-Interessent oder Einsteiger ist angesichts gravierender Entwicklungs- und technologischer Versäumnisse trotzdem nicht in Sicht. Haldex hat derzeit etwa 2.200 Beschäftigte, darunter rund 760 in Europa. In den USA sind es 450, in Mexiko 370 und in China 250.

Letzte Änderung: 25.09.2020