Haldex-Betriebsrente vor Gericht

IG Metall: Pressedienst

08.11.2019 Haldex muss nach Klage auf Anpassung der Betriebsrente an die Inflation Vergleich abschließen.

Obwohl dem Betriebsrat noch tags zuvor schriftlich das Gegenteil mitgeteilt worden war, hatten Konzern- und Geschäftsführung der Belegschaft in Heidelberg am 22.10.2019 verkündet, das Werk mit rund 90 Beschäftigten zu schließen und nach Ungarn zu verlagern (vergleiche Meldungen der IG Metall und in der Presse). Auch sonst bleibt Haldex negativ in den Schlagzeilen, zuletzt beim Kammertermin vor dem Arbeitsgericht am 31.10., bei dem es um eine Anhebung der Betriebsrente ging. 20 Rentnerinnen und Rentner nahmen an der Verhandlung teil. Hauptthema auch unter ihnen die geplante Betriebsschließung. Die Ehemaligen erklärten der Belegschaft und dem anwesenden Betriebsratsvorsitzenden ihre solidarische Unterstützung.

Vor Gericht hat der frühere Betriebsratsvorsitzende Martin Hornung (seit 2012 in Rente) mit Rechtsschutz durch die IG Metall Anfang 2019 Klage auf Anpassung der Betriebsrente an die Inflationsentwicklung eingereicht: Für den Zeitraum 2016 bis 2018 um rund fünf Prozent (fünf Euro im Monat); dies solle auch für alle andern Rentnerinnen und -Rentner gelten. Im Vorfeld hatten 2018 elf ehemalige Betriebsratsmitglieder "stellvertretend" für alle Betroffenen nach § 16 Betrieblichem Altersversorgungsgesetz schriftlich Antrag auf Anpassung der Renten gestellt. In der Güteverhandlung am 31.01. hat die Firma eine gütliche Einigung abgelehnt.

Rund 240 Haldex-/GRAU-Bremse-Betriebsrenten - im Schnitt 90 Euro im Monat

Die Renten bei Haldex (bis 1998 GRAU-Bremse) sind arbeitgeberfinanziert. Sie beruhen auf einer Betriebsvereinbarung von 1992, die ihre Grundlage in der "Graubremse GmbH-Unterstützungskasse" von 1965 hat. 2018 lagen die Renten und Witwen(r)-Renten im Schnitt bei 90 Euro im Monat, bei einem Höchstbetrag von 140 Euro nach 50 Jahren Betriebszugehörigkeit. Der Verbraucherpreisindex ist seit 1992 um 49 Prozent gestiegen, während die Betriebsrenten nur ein einziges Mal angehoben wurden (2007 um 1,5 Prozent). Von dieser Minierhöhung abgesehen, haben damit fast 30 noch lebende Betroffene 27 Jahre keine Anpassung erhalten. Die Zahl der Haldex-Betriebsrentnerinnen und -Rentner ist gegenüber 2012 mittlerweile um fast 100 auf rund 240 zurückgegangen.

Haldex erklärt Rentenanpassung wegen "Holding-Verlustvorträgen" für "nicht bezahlbar"

Im Prozess hat Haldex bestätigt, seit 2016 Gewinne zu schreiben. 2017 verzeichnete der Heidelberger Produktionsbetrieb zum Beispiel ein "Ergebnis nach Steuern" von drei Millionen Euro (Umsatzrendite 5,8 Prozent). Die bisherige Haldex Brake Products GmbH Heidelberg wurde erst kürzlich per "Verschmelzungsvertrag" vom 16.08. rückwirkend zum 01.01.2019 mit der ehemaligen Holding Haldex GmbH "verschmolzen".

Nun hat Haldex sinngemäß vorgetragen, zu einer Rentenanpassung "wirtschaftlich nicht in der Lage" zu sein. Es habe ein Gewinnabführungs- und Verlustübernahmevertrag mit der übergeordneten Holding bestanden. In dieser seien in 20 Jahren "Verlustvorträge" in zweistelliger Millionen Euro-Höhe aufgelaufen. (Ab 1994 waren im Betrieb über ein Jahrzehnt ein halbes Dutzend "Beratungsunternehmen" tätig, die vorhandenes Missmanagement noch vergrößerten; am längsten die "Computer-Firma CMG", die bis 2001 allein über 10 Millionen DM aus dem Betrieb gesaugt hat.) Die auf der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung des Heidelberger Betriebs in der Vergangenheit beruhenden Verlustvorträge müssten erst abgetragen werden. Laut Bundesarbeitsgerichts-Urteilen bestünde bei "Auszehrung des Eigenkapitals" und "fehlender Verzinsung" keine Betriebsrenten-Anpassungspflicht, so Haldex. Tatsächlich wird der Heidelberger Standort inzwischen als Steuersparmodell genutzt, da man hier aufgrund Verlustvorträgen keine Gewinnsteuern zahlt (Gesamtsteuer 2015 unter 4.000 Euro).

DGB, IG Metall und Betroffene verweisen auf erzielte Gewinne und 30 mal höhere Pensionen für ehemalige Manager

DGB-Rechtsschutzsekretärin Arietta Dühn bestand darauf, entscheidend könne nur die Gewinnsituation des Betriebs sein und nicht ein übergeordnetes Gesellschaftskonstrukt. Martin Hornung widersprach den Ausführungen der Gegenseite ebenso: So sei im Jahresabschluss 2017 festgehalten: "Die Eigenkapitalquote ist von 3,7 auf 5 Prozent gestiegen." Zahlen aus den über 100 Schriftsatzseiten der Firma würden belegen: Das Unternehmen könne es sich leisten, an nur acht (!) ehemalige Geschäftsführer und Leitende Angestellte mehr als 30 mal so hohe Pensionen zu zahlen (im Durchschnitt über 3.000 Euro im Monat, insgesamt 290.000 Euro im Jahr) - mehr als an die 240 Betriebsrentnerinnen und -Rentner zusammen (260.000 Euro). Eine Anhebung der 240 Renten um bloß fünf Euro im Monat (Gesamtkosten nur 14.000 Euro im Jahr) würde die Firma jedoch als "unbezahlbar" ablehnen.

Gerichtlicher Vergleich

Das Gericht erklärte, die Rechtsprechung zu diesem Komplex sei "äußerst kompliziert", ganz besonders, wenn Rechtsbeziehungen zu Holding- und Konzerngesellschaften bestünden. Nach Unterbrechungen regte die Richterin schließlich einen Vergleich an, die Betriebsrenten um 2,50 Euro im Monat anzuheben. Die Vertreter der Firma wollten dies jedoch auf keinen Fall dauerhaft auch für künftige Jahre zugestehen, sondern nur als "Einmalbetrag". Angesichts der "schwierigen Rechtslage" wurde am Ende folgender gerichtlicher Vergleich geschlossen: Die eigentlichen Rentenbeträge bleiben unverändert. Allen Betriebsrentnerinnen und -Rentnern werden jedoch für die 36 Monate von 2018 bis 2020 jeweils 2,50 Euro nachgezahlt, in Form eines Einmalbetrags von 90 Euro - nachdem die Betroffenen eine Erklärung abgegeben haben, damit einverstanden zu sein und von einer gerichtlichen Klage bis Ende 2020 abzusehen.

Im Ergebnis wenigstens eine "symbolische" Anhebung. In Schreiben vom 04.07.2019 und 13.07.2018 hat die Firma verlauten lassen, der "Break-even" (Gewinnschwelle) sei "frühestens im Jahr 2021 zu erwarten". Man verspreche, "weiter an der Gesundung des Unternehmens zu arbeiten, um bei der nächsten Anpassungsprüfung im Jahr 2021 hoffentlich eine positive Entscheidung treffen zu können." Ob ohne oder mit dem alten Spruch "Wir seh'n uns vor Gericht", wird sich zeigen.

Letzte Änderung: 11.11.2019