Gemeinsame Presseerklärung zu Haldex

Pressedienst

25.10.2019 Betriebsrat und IG Metall Heidelberg verurteilen das skandalöse Vorgehen von Haldex auf das Schärfste!

Die Meldung über die beabsichtigte Schließung des Werks in Heidelberg hat Haldex am 22.10.2019 genau in den Minuten veröffentlicht, in denen die Belegschaft informiert wurde. Die Ankündigung war allem Vernehmen nach von Konzern- und Geschäftsführung seit langem detailliert geplant und vorbereitet.

In und hinter dem Meldungstext stecken eine Vielzahl von Unwahrheiten und Falschinformationen:

Am 31.03.2020 läuft der vor 19 Jahren abgeschlossene Leasingvertrag über Grundstück und Betriebsgebäude in Wieblingen aus. Betriebsrat, IG Metall und Belegschaft haben seit langem auf diese Tatsache hingewiesen, reklamiert, sowie neue Verträge und Zukunftsgarantien gefordert. Leider blieben Empfehlungen wie zuletzt die, sich in Wiesloch bei Heidelberger Druckmaschinen anzusiedeln, ungehört.

Die Geschäftsführung war bis Anfang Oktober 2019 nicht in der Lage, eine Fortführungslösung (Kauf oder Miete) zu finden bzw. sicherzustellen. Stattdessen hat sie - absichtlich oder aus purem Dilettantismus heraus - auf einen Crash bzw. die Schließung des Werks 2020 hingearbeitet.

Wenn Geschäftsführer Manfred Vogel sich nun in der Presse zitieren lässt, Haldex sei sich "bewusst", die Maßnahmen seien "für die betroffenen Mitarbeiter und ihre Familien einschneidend", weisen IG Metall und Betriebsrat dies als puren Zynismus zurück!

Noch einen Tag zuvor hat der Geschäftsführer auf Anfrage des Betriebsrats schriftlich mitgeteilt: "Versuche, bei der Stadt Heidelberg das Grundstück zu kaufen, sind mit der Begründung der anstehenden Wahlen bis auf nach November verschoben worden." (Tatsächlich waren die Wahlen bereits im Mai.) Weiter erklärte der Geschäftsführer am 21.10.: "Ein Interessent hat ein Angebot abgegeben, so dass eine Lösung gute Chancen hat, realisiert zu werden. Auch die Möglichkeit eines Kaufs (des Gebäudes) durch Haldex ist zu diesem Zeitpunkt nicht ausgeschlossen." Anderweitige Befürchtungen und "Aussagen des Betriebsrats" seien "nicht richtig".

Tags darauf die brutale Ankündigung! Schließung und Verlagerung nach Ungarn, verbunden mit der höhnischen Bemerkung von Vorstandsmitglied Staffan Olsson, der Aufsichtsrat in Schweden habe dies erst am Vorabend beschlossen.

Von den angekündigten 17 verbleibenden Beschäftigten würden tatsächlich nur 6 Beschäftigte bei Haldex in Heidelberg bleiben. Die übrigen 11 sind ohnehin schon immer bundesweit als Vertriebsbeschäftigte im Home-Office tätig.

Eine geradezu unglaubliche Behauptung stellt die Verlautbarung in der Presse vom 23.10. dar, mit Betriebsrat und Gewerkschaft seien "bereits heute Verhandlungen über die Schließung aufgenommen" worden, die "noch dieses Jahr abgeschlossen" würden. Diese Aussage weist der 2. Bevollmächtigte der IG Metall Heidelberg Michael Seis entschieden zurück. Jetzt beginnt erst mal die Informationsphase, so der Gewerkschafter. Weil das deutsche Recht vorsieht, dass der Betriebsrat die Möglichkeit hat Alternativen einzubringen, um eine Betriebsschließung zu vermeiden.

Derart skandalöse Vorgänge hat es bundesweit nicht oft gegeben. Der Betriebsrat war für den 22.10. von der Konzern- und Geschäftsführung zu einem eineinhalbstündigen sogenannten "Follow Up"-Gespräch eingeladen worden. Im Anschluss solle es eine Belegschaftsversammlung geben, wurde mitgeteilt.

Als Vorläufer des "Follow Up" hatten im Jahr 2019 auf Wunsch der Ge¬schäftsführung in Heidelberg zwei "Workshops" mit Betriebsrat und IG Metall über mögliche Ver¬besserungen zur Zukunftssicherung des Betriebs stattgefunden, unter Moderation des ehemaligen Vizepräsidenten des Arbeitsgerichts Heidelberg, Lothar Jordan - wie sich inzwischen vermuten lässt, ein trügerisches Ablenkungsmanöver.

Bei den Terminen am 22.10.2019 mit Betriebsrat und Belegschaft wurden diese nur mit der Ankündigung regelrecht überfahren, der Betrieb in Heidelberg werde im ersten Halbjahr 2020 ge-schlossen. Der Betrieb in Heidelberg sei gegenüber dem Werk in Ungarn zu teuer, ließ die Konzernführung verlautbaren. Das Lohnverhältnis Ungarn - Heidelberg liege bei 1 zu 4.

Argumente des Betriebsrats, dass das Lohnverhältnis vor 10 Jahren noch bei 1 zu 10 lag und umgekehrt die Produktivität im Werk Heidelberg im Vergleich zum Werk in Ungarn bei 4 zu 1 liegt, wollte die Konzernführung nicht hören oder verstehen. Die Feststellung, dass die Montage in Heidelberg nur 40 Beschäftigte, die in Ungarn sechs Mal so viel hat, wollte die Konzernleitung auch nicht verstehen. Umsatz wird aber dort lediglich 1,3-mal so viel wie hier erzielt.

Seit Oktober sind in Heidelberg zudem fünf ungarische Beschäftigte in der Montage tätig, da in Ungarn die Aufträge zurückgehen würden, teilte die Geschäftsleitung mit. Die Personalleitung hatte dazu dem Betriebsrat die schriftliche "Garantie" gegeben, mit einer möglichen Verlagerung nach Ungarn habe dies nichts zu tun. Im Beisein von Richter a.D. Lothar Jordan hatte COO Staffan Olsson dem Betriebsrat vor Monaten mitgeteilt, in Ungarn käme es zu Entlassungen. Für November sind erneut fünf ungarische Beschäftigte in Heidelberg. Ebenso auf Glatteis geführt werden sollte die Belegschaft mit dem Antrag, acht Wochen Produktionsvorlauf zu erarbeiten. Auch diesbezüglich stritt die Geschäftsleitung ab, dass dies in Zusammenhang mit einer drohenden Verlagerung stehe.

Erst 2016 / 2017 haben Belegschaft, IG Metall und Betriebsrat nicht unerheblich dazu beigetragen, dass Haupt-Konkurrent Knorr-Bremse den Haldex-Konzern und das Werk Heidelberg letztendlich doch nicht übernehmen, schlucken und zerschlagen konnte. Die schwedische Presse hat damals die "deutsche Gewerkschaft" ausdrücklich gelobt.

Im Anschluss an die Veranstaltung am 22.10. stand der Betrieb in der Spät- und Nachtschicht still. IG Metall, Belegschaft und Interessenvertretung werden die angekündigte Schließung nicht kampflos hinnehmen und sich dagegen wehren, dass 95 Jahre Heidelberger Industriegeschichte, Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung und die Existenzen von 100 Familien auf diese Weise zerstört werden.

Letzte Änderung: 25.10.2019