Die SAP AG - Ausweg aus dem Dilemma
Die Wirtschaftswoche vom 20.3.06 hat mal tiefer in die SAP AG hineingeblickt und kommt unter anderem zur Erkenntnis:
Der Zwist um die Gründung eines Betriebsrats bei SAP ist ein Stellvertreterkrieg. Und nur Indiz für einen Konflikt in der Belegschaft, der tiefer reicht, tief hinein in die Befindlichkeit des deutschen Vorzeigekonzerns. (Siehe unten, Link)
Wohl wahr. Für Kenner der internen Vorgänge war es nur eine Frage der Zeit, wann sich die SAP-Belegschaft in Walldorf und St. Leon-Rot nicht mehr von der Gestaltung der Arbeitnehmerbeziehungen ausschließen lässt und endlich einen Betriebsrat wählt. Umso erstaunlicher ist die offensichtlich falsche Positionierung der Firmenverantwortlichen. Haben sie wirklich gedacht, die bestens ausgebildete Belegschaft würde tatenlos zusehen, wie die Führungsschicht Zug um Zug ausgewechselt und die SAP-Wurzeln in Walldorf gekappt werden? Haben sie wirklich geglaubt, dass es reicht, regelmäßig 200 Mitarbeiter zum Frühstück einzuladen statt wirkungsvolle Belegschaftsbeteiligung und Mitbestimmung zuzulassen? Und glaubt im Ernst jemand, dass das über die Presse ausgebreitete Ablenkmanöver á la " Hilfe, die IG Metall kommt und will bei der SAP deutsches Recht einführen " auf Dauer halten würde? Welches Signal sendet der Vorstand der SAP aus, wenn er bekannt gibt, zu prüfen, ob mit einem Gang zum Bundesverfassungsgericht ein gesetzlich geschützter und von der Politik gewollter Betriebsrat bei SAP aufgehalten werden kann? Eine Heise-Leserzuschrift vom 20.3.06 bringt es auf den Punkt:

"Ursprünglich dachte ich ja auch: Wozu braucht SAP einen Betriebsrat,
aber je länger diese Rangelei wegen des Betriebsrates dauert, um so
schmutziger wird's und um so mehr wird klar, dass SAP wohl ganz
dringend einen Betriebsrat braucht."
Genau dieser Überzeugung waren die IG Metall-Mitglieder der SAP schon längere Zeit. Und bei der Tochter SAP SI am Standort Dresden gibt es ja bereits schon einen Betriebsrat. Hier steht am 21. April die turnusgemäße Neuwahl des elfköpfigen Gremiums an. Dies ist bis Ende Mai 2006 in zig-tausend anderen deutschen Betrieben ebenfalls der Fall. Die IG Metall brauchte in Walldorf und St. Leon-Rot nur einigen SAP-Mitarbeitern sachkundige, fundierte Unterstützung anbieten, um die Wahl eines eigenen Betriebsrats auch bei der SAP AG zu ermöglichen. Schade nur, dass die SAP-Belegschaft vom gekränkten obersten Management und von der sich bedroht fühlenden ANV (SAP-Arbeitnehmervertretung = Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat) so fehlinformiert und verunsichert wurde, dass über 90 % der Belegschaft hinter der Betriebsratsgründung eine "Fremdbestimmung" oder gar eine "feindliche Übernahme" vermutete. Dabei ist die SAP-Basis schon lange nicht mehr so in die wichtigen Entscheidungen eingebunden, wie es zur Gründerzeit noch üblich (und möglich) war. Und wenn sie die Gestaltungsmöglichkeiten eines Betriebsrats weiterhin verkennt und ihre Zukunft nicht schleunigst in die eigenen Hände nimmt, wird sie immer weniger mitzubestimmen haben! Ein Blick ins Betriebsverfassungsgesetz hätte gereicht, um zu erkennen, dass ein Betriebsrat immer nur aus Arbeitnehmern des Betriebes bestehen kann. Aber inzwischen dürfte sich diese Erkenntnis herum gesprochen haben. Wie man hört, scheint z.Z. ein wahrer "RUN" auf die Betriebsratsposten im Gange zu sein, man spricht von einer Flut von Betriebsratslisten - gut so, meinen wir! Durch viele Listen nähert sich eine Listenwahl einer Personenwahl an. Die Arbeitnehmer bekommen mehr Auswahlmöglichkeiten.
Handelsblatt: Ohne Betriebsrat gibt's kein wirkungsvolles Krisenmanagement mehr.

Ganz aktuell bringen "Handelsblatt" und "Die Zeit" einen interessanten Artikel zur Bedeutung der in Deutschland üblichen betriebsrätlichen Mitbestimmung, siehe unten, Link! Die VDI-Nachrichten ergänzen: "Der Berufsverband "die Führungskräfte" in Essen und Köln befragte 4000 Mitglieder, lediglich 10 % sprachen sich gegen die Mitbestimmung aus". Plötzlich ist SAP eine Minderheit.
Wir bauen auf die Zukunft und damit auf die wachsende Einsicht - auch in der SAP-Belegschaft - dass Betriebsräte am besten geeignet sind, betrieblichen Belange zur Zufriedenheit aller zu gestalten. Kreatives Krisenmanagement ist ohne die Beteiligung eines Betriebsrats nicht mehr denkbar. Wir unterstützen jeden und jede, solange wir erkennen, dass es sich hierbei um Arbeitnehmer handelt, die über den Tellerrand hinausschauen und ernsthaft an der Gestaltung ihrer Arbeitswelt interessiert sind.
Links:
2006.03.14 - FTD - SAP vollzieht eine drastische Kehrtwende - BR-Wahl in Sicht
2006.03.20 - WirtschaftsWoche - Kampf der Kulturen
2006.03.20 - WiWo-kompakt - Kampf der Kulturen
Interview der WiWo mit Henning Kagermann
Leserbrief in heise.de - Ein oder kein Betriebsrat bei SAP - Das ist die Frage
2006.03.22 - Handelsblatt - Die Mitbestimmer / Ohne Betriebsrat geht kaum noch was
MeinWalldorf.de - Die lokale Meinung
2006.03.24 - VDI-Nachrichten - Vor- und Nachteile der Mitbestimmung
Aktiencheck - SAP akkumulieren - Keine negativen Einlüsse durch BR-Wahl
Letzte Änderung: 21.03.2013