Tarifergebnis in der Debatte

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20.02.2018 Runter-Rechnen der Entgelterhöhungen ist unangebracht, auch wenn es renommierte Wissenschaftler tun.

Unmittelbar nach dem Metalltarifabschluss, haben die Autoren Heiner Flassbeck und Michael Paetz am 7.2. in der Online-Zeitschrift "Makroskop" einen dreiseitigen Artikel zum Ergebnis veröffentlicht, unter dem Titel: "IG Metall: Weder Zeit noch Geld." Flassbeck ist renommierter links-keynesianischer Wirtschaftswissenschaftler und Honorarprofessor an der Universität Hamburg, Dr. Michael Paetz am dortigen Fachbereich Volkswirtschaftslehre wissenschaftlicher Mitarbeiter für Lehraufgaben.

Der Artikel beginnt: "4,3 % klingt gut, wenn man mit viel Tamtam 6 % gefordert hat. Doch in Wirklichkeit sind es im besten Fall gut 3 % pro Jahr, wenn man das Sammelsurium des Ergebnisses zusammenrechnet." Einige Zeilen später wird noch drauf gesetzt: "Die 4,3 Prozent Lohnerhöhung relativieren sich gewaltig, wenn man sie von den vereinbarten 27 Monaten auf ein Jahr umrechnet - nämlich 1,91 %. Dies reicht vermutlich nicht einmal aus, um einen konstanten Reallohn zu sichern!" Zwar relativieren Flassbeck und Paetz dies über Jahresverdienst-Vergleichsbetrachtungen schließlich wieder zu einer "jährlichen Erhöhung von 3,17 %". Die nach der sogenannten "Westrick-Formel" (4,3 % dividiert durch 27 mal 12 Monate) von zwei anerkannten Wissenschaftlern gerechneten "1,9 %" waren aber in der Medienlandschaft und wurden in der Folge auch breit gestreut und verwendet.

Berechtigte Fragezeichen - und falsche Kritik

Verständlich erscheinen die zur Arbeitszeit von den Autoren aufgeworfenen Fragestellungen, insbesondere ob der Preis für die erreichten Verkürzungs-Regelungen nicht zu hoch ist, angesichts fehlendem echten Entgeltausgleich und den Arbeitszeit-Verlängerungsmöglichkeiten im Gegenzug. Ebenso gilt dies für Skepsis gegenüber der 27-monatigen Laufzeit und der schwierig zu verstehenden Kompliziertheit einzelner Abschluss-Komponenten.

Für ihre Ausführungen zum Entgelt haben die beiden Wissenschaftler aber (nach eigenen Worten) "einige erboste Emails" und Kritik erhalten. Aus Heidelberg hat ihnen der ehemalige Betriebsratsvorsitzende von Haldex, Martin Hornung, am 8.2. geschrieben: Leider würden die Autoren inzwischen in vielen Kreisen nur mit ihren '1,9 %' zitiert, obwohl sie doch selbst auf wenigstens 3,17 % kommen. Die Westrick-Formel in diesem komplizierten Fall anzuwenden, sei jedoch nachweislich falsch. Die richtigen Schlüsse auf Prozentzahlen seien hier nur nach vorherigen Jahresvergleichs-Volumen- und absoluten Geldbetrags-Rechnungen zu ziehen. Die würden für 2018 knapp 4 und für 2019 um die 3,6 % ergeben, je nach Entgelthöhe. So Martin Hornung. (Auch die "metallnachrichten" vom 9.2. haben dazu beispielhaft entsprechende Tabellen veröffentlicht.)

In Reaktion auf die Kritik haben sich Heiner Flassbeck und Michael Paetz in weiteren Artikeln darauf zurückgezogen: "Beide Berechnungen sind richtig (sowohl ihre als auch die von IG Metall und WSI). Aber sie beantworten unterschiedliche Fragen." Ohne allerdings darauf zu verzichten nochmals nachzusetzen: "Ärgerlich ist, dass man nun überall die Tarifvereinbarung in einer Staubsaugervertretermentalität als deutliche Entgelterhöhung verkauft" ("Makroskop", 9.2.) Leider meinen die beiden Wissenschaftler auch, am Ende doch nochmal die unpassende Westrick-Formel anzuwerfen (16.2.): "Hätte man 6 % für 27 Monate verhandelt, käme man sehr schnell auf 2,67 %, indem man die 6 % zunächst auf 27 Monate aufteilt und dann mit 12 Monaten malnimmt, um die Jahressteigerung zu errechnen. Das Problem bei diesem Abschluss ist, dass man die 'Kopfpauschalen' (Fixgeldbeträge) nicht so einfach auf Prozentzahlen umrechnen kann" (was ihrer Ansicht nach "dann 2,93 %" ergebe). Ein wirklich ärgerlicher Schlussakkord, da er wieder an den Tatsachen vorbeigeht.

Letzte Änderung: 22.02.2018