Das Netzwerk der Sabine Christiansen
Sabine Christiansen ist nah dran an der Wirtschaft. Der Mann an ihrer Seite: Manfred Schneider. Aufsichtsratschef von Bayer Leverkusen und der Linde AG. Außerdem sitzt er im Aufsichtsrat der Allianz Versicherung, bei
DaimlerChrysler, beim Einzelhandelsmulti Metro, beim Reiseveranstalter TUI und beim Energieversorger RWE. Ein Mann mit Kontakten also. Wie auch seine Freundin Sabine Christiansen.
Die Moderatorin holt jeden Sonntagabend zur besten Sendezeit bis zu sechs Millionen Zuschauer aufs Sofa. Damit ist sie fast schon eine Institution, die vor allem Politiker der Union wie Friedrich Merz mit Lob überschütten:
"Diese Sendung bestimmt die politische Agenda in Deutschland mittlerweile mehr als der deutsche Bundestag."
Unionsnah und wirtschaftsfreundlich sind auch die Themen der Sendungen: "Unser Kündigungsschutz - wirklich ein Jobkiller", "Erhards Erbe: Aus welchem Geist entstehen Wirtschaftswunder?" oder "40 Stunden und länger: Müssen
wir wieder mehr schuften?"
"Die Thesen, die Sabine Christiansen in ihrer Sendung vertritt, sind die der 'Initiative neue soziale Marktwirtschaft'", analysiert der Berliner Politologe Rudolf Speth. Eine Initiative, die Gesamtmetall-Chef Martin Kannegiesser mit dem
Auftrag gründete, wirtschaftsliberale Einstellungen mehrheitsfähig zu machen. Oder einfacher gesagt: Die Wirtschaft in den Medien reden zu lassen. Oder wie es Deutschlands bekanntester Headhunter und Sympathisant der
Initiative, Dieter Rickert, formuliert: "Politische Botschaften so wie bei der 'Sendung mit der Maus'."
Die Wirtschaft kommt bei Sabine Christiansen nicht nur oft zu Wort. Sondern: Die Bosse erhalten immer Recht. Nur selten wird der Zuschauer mit präzisen Informationen gefüttert. "Allsonntäglich tritt so eine große
Koalition der Systemüberwinder gegen ihr Volk an", schreibt der Publizist Walter van Rossum in seinem Buch "Meine Sonntage mit Sabine Christiansen - Wie das Palaver uns regiert".
Christiansens Gästeliste liest sich wie ein "Who is who" des deutschen Kapitals. Davon lebt eine Talkshow: von großen Namen. Und genau darin ist die Moderatorin Meisterin. Sie kennt gewichtige Leute. Sie hat die Handynummer von
FDP-Chef Guido Westerwelle. Und sie hat Helfer, die ihr die Manager in die Sendung hieven.
Zum Beispiel Hans-Erich Bilges. Ehemaliger "Bild"-Chef und heute Vorstandsmitglied der schlagzeilenerprobten Beratungsfirma WMP. Bilges rühmt sich gerne mit seinen guten Beziehungen zu Sabine Christiansen. Sogar via der "Financial
Times Deutschland". In Bilges WMP wiederum sitzt ein weiterer bekannter Berater als Aufsichtsratmitglied: Roland Berger. Und der wiederum ist Galionsfigur der Initiative der Bosse. Auch zu einem anderen Botschafter der
wirtschaftsliberalen "Initiative" hat Sabine Christiansen einen direkten Draht: CDU-Politiker Lothar Späth. Christiansens Firma TV21 produzierte bis Anfang 2003 die MDR Talkshow "Gysi und Späth". Späth wiederum ist
ebenfalls einer der Botschafter der "Initiative".
Klar, dass solche Netzwerke helfen, Talkshows mit Gesinnungsgenossen zu besetzen. Klar, auch, dass dies niemand zugibt. Frau Christiansen gegenüber metall: "Seit der ersten Sendung ist es uns gelungen, die Runden ausgewogen zu
besetzen." Die Frage, ob sie mit der "Initiative neue soziale Marktwirtschaft" sympathisiert, will sie nicht beantworten. Weil - wie ihr Sprecher betont - Redaktion und Moderatorin unabhängig sind. Und so bleibt dem kritischen
Zuschauer wohl nur eins: sonntagsabends nach dem "Tatort" direkt ins Bett zu gehen.
Susanne Rohmund
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Letzte Änderung: 21.03.2013