Wie notwendig ist ein Betriebsrat?

Spannende Diskussion. Thema: Der Betriebsrat

23.05.2006 Spannende Diskussion vor 70 Teilnehmern: Print Media Academy/Heidelberg

Der Deutsche Gewerkschaftsbund, Region Rhein-Neckar Mannheim hatte am 22.5.2006 zu einer politischen Podiumsdiskussion zur Frage "Wie nötig ist ein Betriebsrat" eingeladen. Die Veranstaltung in der Heidelberger Print Media Academy war gut besucht. Als Podiumsgäste waren anwesend (alphabetisch):

Michael Eckert, RA FDP
Martin Huhn, Industriepfarrer KdA
Dr. Gerhard Schick MdB Bündnis 90/Die Grünen
Uwe Terhorst, KAB CDU
Claus Wichmann MdL SPD
Moderiert wurde die Diskussion von Peter Turi, freier Wirtschaftsjournalist (u.a. Wirtschaftswoche).

Stefan Rebmann begrüßt die ca. 70 Teilnehmer
In der Begrüßung bezog sich Stefan Rebmann, DGB, als Gastgeber auf die aktuellen Betriebsratswahlen, die in diesem Jahr wieder bis Ende Mai bundesweit abgehalten werden. In fast sämtlichen Betrieben im Bundesgebiet ist dies ein üblicher, alle 4 Jahre stattfindender Restart der Arbeitnehmervertretungen. Die Gewerkschaften begleiten naturgemäß diese Wahlen mit Rat und Tat. Dies dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein Betriebsrat immer eine "innerbetriebliche Angelegenheit" sei. Nur beim Walldorfer IT Spezialisten SAP AG führten die erstmaligen BR-Wahlen seit Firmengründung (1.4.1972) zu sehr heftigen und äußerst kontroversen Debatten in der Belegschaft und in der Öffentlichkeit. Die Medien nahmen die SAP-Vorgänge mit großem Interesse auf und die Frage "JA oder NEIN zum Betriebsrat" hat sogar ein politisches Nachspiel.

Drei Fragen zu Beginn
Dieser Hintergrund war auch der Anlass für diese politische Diskussionsrunde in der Print Media Academy. Peter Turi richtete eingangs drei Fragen an die Politiker:

1. Wäre ein Betriebsrat der Untergang für die SAP?
2. Würde die IG Metall bei SAP Stechuhren einführen?
3. Sind Betriebsräte für Dienstleistungsgesellschaften wie die SAP und anlässlich der Globalisierung noch zeitgemäß?

Für Gerhard Schick ist ein Betriebsrat in erster Linie eine Chance, weniger ein Risiko und schon gar kein vorprogrammierter Untergang. Martin Huhn hält einen Betriebsrat für unabdingbar, wenn die Gesellschaft nicht sämtliche sozialen Bindungen in Frage stellen will. Nicht weniger als die grundgesetzlich verankerte "Würde des Menschen" stünde auf dem Spiel, wenn man den Arbeitnehmern den durch einen Betriebsrat abzusichernden Schutzraum entziehen würde. Uwe Terhorst erinnerte an die Sozialreformer und Sozialpolitiker Ketteler und Kolping. Ohne solche wichtigen Wegbereiter wäre "soziale Verantwortung" in der Marktwirtschaft wohl ein Fremdwort geblieben. Der Betriebsrat muss sich allerdings wie alle demokratischen Organisationen in Frage stellen lassen, so Schick. Genau das tut er auch, wenn er sich alle vier Jahre zur Wahl stellt.

Das politische Nachspiel
Rechtsanwalt Michael Eckert erläuterte, warum die FDP per Antrag an den Bundestag die Wahl eines Betriebsrats von der Zustimmung von mind. 25 % aller Arbeitnehmer abhängig machen möchte. Dieser Absicht wurde von den anderen anwesenden Politikern, den Kirchenvertretern und auch von den meisten Gästen heftig widersprochen. Warum sollte ausgerechnet der Installierung eines Betriebsrat eine solche Hürde in den Weg gestellt werden, wo doch andere demokratische Gremien wie z.B. ein Gemeinderat oder ein Stadtrat auch vom Gesetz her einzurichten sind. Unrühmliche Beispiele wie Schlecker, Lidl und McDonald's haben doch bis in die jüngste Vergangenheit gezeigt, wie solche Hürden vom Management missbraucht werden können. Jede zusätzliche Hürde kann dazu führen, dass die Bildung eines Betriebsrats vereitelt wird. Demokratie nur dann, wenn es ausreichend Zustimmung (und mutige Menschen) dafür gibt? Das wäre das Ende der Demokratie.

Schutz und Mibestimmung
Für Claus Wichmann ist die Notwendigkeit eines Betriebsrat nicht nur durch die im BetrVG verankerten Schutzrechte begründet. Der Mehrwert wird von den Arbeitnehmern generiert, also steht ihnen auch das Recht zur Mitbestimmung bei den betrieblichen Entscheidungen zu. Es geht um eine Demokratisierung der Betriebe. Gerade die SAP-Belegschaft sollte dieser Herausforderung gewachsen sein.

Die rege Diskussion unter Einbeziehung der ca. 70 Anwesenden zeigte, dass die Notwendigkeit eines Betriebsrats nicht in Frage gestellt wird. Prof. Gert Weisskirchen, MdB SPD, richtete einen Appell an Dietmar Hopp, die Betriebsratwahl bei SAP nicht weiter mit "Befürchtungen" oder sonstigen Bekundungen zu beeinflussen. Ein Betriebsrat gefährde nicht die Standortfrage und er sei auch nicht fremdbestimmt. "Ein Betriebsrat sei das Gegengewicht zu all den intransparenten SAP-Maßnahmen der jüngsten Vergangenheit, wie z.B. zunehmende Formalisierung und Bürokratisierung und ganz besonders das fragwürdige Low-Performer-/Improver-Programm" - so ein anderer Diskutant aus dem Zuhörerkreis.

Eine SAP-Insiderin aus dem Zuhörerkreis betonte, dass bei SAP die anfängliche starke Polarisierung allmählich abebbe. Die für den 21. Juni 2006 geplante Betriebsratswahl werde wesentlich sachlicher und hoffentlich mit hoher Wahlbeteilung über die Bühne gehen.

Anhänge:

Stefan Rebman, DGB, eröffnet die Diskussion

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Das Podium - namhafte Politiker und Kirchenvertreter

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Diskussionsleitung - Peter Turi

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Ausschnittsbild aus dem Podium

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Gut besuchte Veranstaltung

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Redner aus der Zuhörerschaft

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Interessiertes Publikum, gute Diskussion

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Letzte Änderung: 21.03.2013