Hopp und die Welt
Die Welt-Online berichtet heute unter "MIDAS der Kurpfalz", siehe Linkliste 1): "In wenigen Wochen beginnt bei SAP eine neue Zeitrechnung. Der Walldorfer Softwareproduzent muss ein ihm bislang unbekanntes Modul in sein Betriebssystem einbauen: den ersten Betriebsrat der jungen Unternehmensgeschichte."

Wir fragen: Wie weit steht "Die Welt" eigentlich neben der Welt?
Erstens hat man auch bei SAP gewusst, dass es drei KollegInnen möglich ist, einen Betriebsrat zu gründen. Vielleicht hat man sich nicht vorstellen können, dass diese drei auch trotz erheblichem Gegenwind aus der Presse und trotz starker Ablehung sowohl im SAP-Vorstand als auch in der ANV nicht umfallen werden. Außerdem sollten SAP-MitarbeiterInnen bei ihren Kunden oft genug auf einen Betriebsrat gestoßen sein. Daher dürfte ein Betriebsrat bei SAP durchaus kein 'unbekanntes Modul' sein. Fakt ist: Ein Betriebsrat ist fast überall eine Selbstverständlichkeit, nur in der eigenen Firma war ein solches Gremium zur Vertretung der Mitarbeiter-Interessen bisher unbekannt. Das wird jetzt nachgebessert. Mut verändert die Welt.
Zweitens ist der Betriebsrat kein Softwaremodul, er ist etwas viel besseres. Es ist die wirksamste Mitarbeitervertretung, die es in Deutschland gibt. Bei der SAP AG hat man sich bisher mit weniger zufrieden gegeben. Die Zeiten der Bescheidenheit sind am 21.6.2006 vorbei. Das weiß jetzt alle Welt.
Drittens muss die SAP ein solches Modul nicht einbauen. Der Betriebsrat wird von der Belegschaft eingerichtet und zwar vollkommen ohne Befragen des Firmenmitbegründers Dietmar Hopp oder anderer verdienstvoller Unternehmerpersönlichkeiten. Ein Betriebsrat ist immer nur die Angelegenheit der Belegschaft. Für "Die Welt" offensichtlich eine neue Welt.
Viertens passt zur jungen Firmengeschichte (1.4.1972) ein junger Betriebsrat: Das Fundament des Betriebsverfassungsgesetzes stammt vom Januar 1972; Im Dez. 1988 und im Sommer 2001 wurde das Gesetz erneut grundlegend überarbeitet, 2). Wie auch die Firma SAP unterliegt also auch dieses Gesetz ständigen Änderungen, um den modernen Herausforderungen gerecht zu werden. So tun sich am 21. Juni 2006 zwei moderne Einrichtungen zusammen: SAP und das BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz). Zwei verschiedene Welten für "Die Welt"?

Vielleicht befürchtet Dietmar Hopp tatsächlich Nachteile für die eingespielten Arbeitsabläufe bei der SAP, wie der Welt-Artikel sagt. Dann hätte Dietmar Hopp aber die realen Veränderungen der jüngsten Zeit nicht mitbekommen. Das können wir kaum glauben. Die Veränderungen der Arbeitsabläufe sind bereits eingetreten und die bisherige (eingespielte) Arbeitnehmervertretung reicht Teilen der Belegschaft nicht mehr. Der gesetzlich verankerte Betriebsrat ist ein wirksames Mittel, mit dem die Belegschaft die innerbetriebliche Kommunikation und die SAP-Spielregeln verbessert. Für Dietmar Hopp dann offensichtlich eine neue Welt, 3). Wir meinen: Eine schöne Welt.
Kommen Sie am Montag, den 22.5.2006 in die Heidelberger Print Media Academy (Hbf) und beteiligen Sie sich an dem Gespräch der Politiker über die spannende Frage "Wie nötig ist ein Betriebsrat", 4). Insbesondere vor dem Hintergrund, dass es ständig Fusionsgerüchte gibt, sollte diese Frage für alle Arbeitnehmer von Bedeutung sein, 5) und 6). Eine verrückte Welt für "Die Welt"? Überlassen Sie "Die Welt" sich selbst und kommen Sie zur Podiumsdiskussion - die Welt ist dort, wo die Menschen sind.
Links:
1) Hopp befürchtet das Allerschlimmste - Hier irrt "Die Welt", seit wann fürchtet sich Hopp?
2) Verfahren zwischen Rechtsstaatlichkeit und Effizienz - Die Reform der Betriebsverfassung
3) 5.3.2006 - Berliner Tagebuch - SAP kommt noch ohne Betriebs-Ratschläge aus
5) Wir laden alle politisch Interessierten herzlich ein
6) Plattner hält SAP-Fusion für denkbar
7) Mit dem Softwarekonzern Microsoft arbeitet SAP bereits bei Duet zusammen
Letzte Änderung: 21.03.2013