Politikerworte SAP-Betriebsratsgründung

Die Frage, ob bei der SAP AG ein Betriebsrat entsteht, bewegt auch die Bundespolitik. Es gibt allerdings sehr unterschiedliche Reaktionen aus dem Lager der politischen Parteien. Zur bevorstehenden Bildung eines Betriebsrates beim Walldorfer / St. Leon-Roter Software-Unternehmen SAP AG erklärt der Mannheimer Bundestagsabgeordnete Dr. Gerhard Schick (Bündnis 90/Die Grünen), Volkswirt und Mitglied des Finanzausschusses im Bundestag:
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Ich begrüße die Bildung eines Betriebsrates bei SAP. Freiwillige Vereinbarungen zur Arbeitnehmer-Mitbestimmung sind grundsätzlich begrüßenswert, aber sie reichen im Ernstfall nicht aus und können deshalb einen Betriebsrat nicht ersetzen.
Dass rund 91 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer Betriebsversammlung gegen die Bildung eines Betriebsrates stimmten, liegt nicht allein an einer möglichen ablehnenden Haltung gegenüber gewerkschaftlichem Einfluss, sondern auch an den vorausgegangenen Drohungen der SAP-Spitze und insbesondere von Gründer Dietmar Hopp.
Dessen Aussage, keine Unternehmen könnten ihren Sitz so schnell ins Ausland verlagern wie in der Softwarebranche, war eine klare Ansage, die für zukünftige Konflikte nicht Gutes erwarten ließ und die Notwendigkeit organisierter, institutionalisierter Arbeitnehmerinteressen bei SAP gerade besonders deutlich machte. Es ist gut, dass die Konzernspitze jetzt eingelenkt und den Weg über die Gerichte vermieden hat.
Jetzt liegt es an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der SAP, einen Betriebsrat zu wählen, der ihre Interessen gegenüber der Unternehmensleitung effektiv wahrnimmt. Nichts weiter als Polemik ist die Schmähung der
Gewerkschaft IG Metall in diesem Zusammenhang. Es ist nicht nur gutes Recht, sondern die Aufgabe einer Gewerkschaft, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Bildung eines Betriebsrates zu unterstützen. Dass die Initiative von
SAP-Mitarbeitern ausging, spricht wohl für sich.
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Vier Anmerkungen:
- Einen Betriebsrat gründet man nicht, weil's einem schlecht geht und nicht erst dann, wenn's einem schlecht geht, sondern dann, wenn's möglich ist.
- An der in unserer Linkliste aufgeführten Petition einer " Privatperson " aus der SAP-Belegschaft können Sie erkennen, wie wenig die Erkenntnis verankert ist, dass ein Betriebsrat kein Unfall, sondern eine vom Staat gewollte Einrichtung zur Artikulation der Arbeitnehmerinteressen ist.

- Ein Vertrag zwischen einer " Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat " (ANV) und dem "Vorstand der SAP" kann den einzelnen Mitarbeitern der SAP nicht das Recht nehmen, einen Betriebsrat zu gründen. Einen Betriebsrat, der diesen Namen auch verdient, also kein Quasibetriebsrat ist!
- Wir fragen uns, wie es kommen kann, dass die Belegschaft eines Unternehmens derart hartnäckig ein deutsches Gesetz missachtet und dann dieses mehrheitliche Fehlverhalten auch noch für demokratisch hält, weil wieder einmal Mehrheit mit Demokratie verwechselt wird. Wenn eine Belegschaft einer Aktiengesellschaft den Aufsichtsrat ablehnen würde, wäre das auch illegal, ungesetzlich und damit auch bei 100% Mehrheit undemokratisch. Es gibt noch viel zu tun!
Links:
Lothar Binding - SPD -MdB - Betriebsrat - eine Frage der Kultur
Prof. Gert Weisskirchen SPD-MdB - Offener Brief an Dietmar Hopp
Dr. Karl A. Lamers - "...entschieden gegen einen SAP-Betriebsrat ..."
16.03.06 - FDP-Antrag im Bundestag: Die FDP will höhere Hürden für Betriebsratswahlen
Für Minderheitsrechte im U-Ausschuss - wenn die FDP in der Minderheit ist
Aus dem Leserkreis: Offener Brief zum FDP-Antrag an verschiedene Politiker
Petition einer Bundesbürgerin zur Änderung des BetrVG
Am 30.3.06 kürten die SAP-Beschäftigten mit großer Mehrheit einen Wahlvorstand
LabourNet.de Germany fasst zusammen - SAP in "großer Sorge" wegen Betriebsrat
SAP weiter ohne Betriebsrat? Abwarten!
Letzte Änderung: 21.03.2013