Schließung von Cooper Standard

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11.10.2015 Ein Rückblick auf eine lange und bewegte Geschichte. Betriebsratsvorsitzender Walter Keller blickt zurück auf den Aufstieg und Fall eines Traditionsunternehmens in Hockenheim.

Das letzte Kapitel für ein Traditionsunternehmen in Hockenheim ist eingeleitet.

Cooper Standard Automotive (früher ITT Automotive, noch früher als Fulton Rohr bekannt) in Hockenheim wird zum 30.06.2016 stillgelegt.
Dem vorausgegangen sind 2 Jahre zäher Verhandlungen über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan unter sich ändernden Voraussetzungen.

Im August 1966 wurde Fulton Rohr, quasi als unerwünschtes Kind von Bundy/TI in Heidelberg, von Alfred Reiert (ja, der von den "Thermal-Werken") mit 51% und von ITT Higbie aus Ohio/USA zu 49% in Hockenheim gegründet. Schnell wurde sie ein ernstzunehmender Wettbewerber von Bundy in der Herstellung von Brems- und Kraftstoffleitungen und Rohren für die Kälteindustrie.
Kurz vor der Insolvenz von THERMAL in Hockenheim übernahm ITT die restlichen 51% zum Jahresende 1995. Zu der Zeit war ITT Automotive ein großer Automobilzulieferer (Bremsen, Wischer, Beleuchtung, u.a.) der sich schon die TEVES und SWF einverleibt hatte.
Fulton durfte unter ITT Konzernluft schnuppern. Und siehe: sie war auch nicht so Gesund. Es folgte dilettantisches Wirtschaften mit veralteter Technik, versäumte Investitionen, in den Sand gesetzte Neuanläufe, Millionenverluste, Krisensitzungen auf Krisensitzungen, diverse Sparprogramme, Personlaufbau und Personalabbau, Sozialplan auf Sozialplan.
Schon 1998 verkaufte ITT die Tevesgruppe an Continental und SWF an Valeo, die auch schon Thermal-Hockenheim aus ihrer Insolvenz übernommen hatte. Ex-Fulton mit ihren Weiterverarbeitungswerken in Marsberg und Creutzwald verblieben bei nun ITT-Industries bis wir im Februar 2006 an Cooper Standard Automotive (Weltweiter Automobilzulieferer aus USA, der Finanzinvestoren wie Goldman Sachs gehörte)
verkauft wurden.
Wir dachten: schlimmer könne es nicht werden und es wurde doch schlimmer.
Forderungen wie: 40 Stundenwochen ohne Lohnausgleich, Flexible Schichten von Sonntagnacht bis Samstagsabends nach Auftragslage, Zeitkonten über die nur der Arbeitgeber verfügen konnte und keine Mehrarbeitszuschläge scheiterten an zu großer Gier von CSA und daher an der Belegschaft und ihrer Vertretung.
Im Jahr darauf sollten dann 85 Leute (1/3 der damaligen Belegschaft) abgebaut werden.
Es ging die Hälfte davon freiwillig nach Sozialplan. Danach kam die Bankenkrise und 2 Jahre Kurzarbeit. Investitionen um die alten Anlagen durch eine moderne Fertigung zu ersetzen, um Wettbewerbsfähig zu werden, wie es wir in allen Krisensitzungen immer gefordert haben, waren unter ITT selten und bei CSA fast gar nicht. Dafür kaufte CSA den Metzeler-Konzern (Autofenster- und Türdichtungen, u.a.) dazu.

Ende 2010 dann Verhandlungen zu einem Personalabbau die in einem Interessenausgleich und Sozialplan mündeten, nach dem 29 Leute abgebaut wurden, erstmals auch mit einer Transfergesellschaft für 12 Monate u.a. auch um dem von Regierungsseite gekürzten Arbeitslosengeldbezug etwas entgegenzusetzen.
Im Oktober 2013 dann die Information der Geschäftsführung auf europaweite umfassende Restrukturierungsmaßnamen. Dabei sollten Überkapazitäten abgebaut und Geschäftsbereiche zusammengefasst werden.
Von Hockenheim sollte die Rohrfertigung nach 48 Jahren insgesamt nach Schelklingen (nähe Ulm) zentralisiert werden. Hockenheim sollte stattdessen das europäische Zentrum für Thermal & Emission-Produkte (z.B. Abgaskühlermontage) werden. So könne der Standort erhalten bleiben bei einer etwa Halbierung der noch vorhandenen Fertigungsbelegschaft.

Der Betriebsrat machte deutlich, dass er das für eine krasse Fehlentscheidung hält, bei unserer Erfahrung mit der Rohrherstellung. Dazu ist keine Erfahrung mit dem für uns neuen Geschäftsbereich der Montage von vielen weltweit einzukaufenden Einzelteilen oder der Bedienung von unbekannten Automaten vorhanden. In Schelklingen war dieses Know how vorhanden. Daher wäre es vernünftiger die Rohrfertigung in Hockenheim entsprechend auszubauen und den T&E-Bereich in Schelklingen. Nur wurde die Entscheidung lange vorher schon getroffen und war unumstößlich.
Wir verhandelten über einen Teilinteressenausgleich mit einer ersten Transfergesellschaft ab Juli 2014 und einen Sozialplan. Kaum war dieser unterschrieben und wir versuchten die ersten Abgaskühler auf einer neuen Fertigungsstraße zu produzieren, überraschte man uns mit der Bekanntmachung, CSA hat den T&E-Bereich weltweit an HVCC verkauft. Da nur die Maschinen und Aufträge verkauft wurden (die nach Tschechien sollen), bedeutete dieses das endgültige Aus für die Fertigung in Hockenheim.

Jetzt, 15 Monate später steht der Interessenausgleich und Sozialplan mit den vereinbarten Transfergesellschaften.
Was noch immer nicht so funktioniert wie es geplant war, ist die Rohrfertigung und andere dafür nötige Verlagerungsschritte in Schelklingen und anderen Werken. Die Krise bei CSA geht weiter. Arbeitsplätze werden verstärkt von Westeuropa nach dem billigeren Osteuropa abwandern. (Besten Dank, für dieses Europa der Konzerne das wir so bestimmt nicht wollten.)
Ab 01.07.2016 werden wir Hockenheimer von CSA für 12 Monate in einer Transfergesellschaft uns als Arbeitssuchende und künftige Arbeitslose einarbeiten müssen. Nur 11 von uns sind bis dahin älter als 60 Jahre und damit Rentennahe Arbeitssuchende. 50 - 60 Jahre alt werden 68 Leute sein. Zwischen 45 und 50 Jahre werden 35 und nur der Rest von 46 Leuten wird jünger als 45 Jahre alt sein. Wenn man jetzt noch weiß, dass die große Mehrheit von uns aus Ungelernten mit Migrationshintergrund besteht kann man sich in etwa vorstellen, wir die Chancen auf dem Arbeitsmarkt in der Region aussehen werden. Mindestens ein heftiger Absturz in den übergroßen Niedriglohnsektor steht den meisten bevor, wenn nicht schlimmeres.

Zwar ist es uns mit der Hilfe der IG-Metall in Heidelberg gelungen einen guten Sozialplan mit Abfindungen von 1,25 - 1,35 Monatsgehältern pro Beschäftigungsjahr herauszuhandeln. Jedoch wird das schnell aufgebraucht sein und dann stehen immer noch 160 Einzelschicksale mit ihren Familien vor einer ungewissen Zukunft.
Einzig Herr Schäubele kann zufrieden sein, da doch endlich einmal ein Konzern anständig Steuern bezahlt, wenn auch über den Umweg von uns Steuerzahlern, die einen großen Teil der Abfindungen an die Finanzämter abführen müssen. Auch dafür besten Dank, liebe Bundesregierungen.

Letzte Änderung: 11.10.2015