10 Jahre BEM - Licht und Schatten

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08.07.2014 Arbeitnehmer nach längeren Krankheitsphasen wieder in das Berufsleben zurückführen - die­ses Ziel verfolgt seit genau zehn Jahren das Be­trieb­li­che Eingliederungsmanagement (BEM)

Nicht jede Erkrankung - ganz gleich, ob körperlicher oder seelischer Art - ist nach einigen Tagen auskuriert. Sind Beschäftigte über einen längeren Zeitraum arbeitsunfähig, will der Wiedereinstieg in das Berufsleben gut geplant und vorbereitet werden. Zudem ist eine Rückführung an den alten Arbeitsplatz in vielen Fällen gar nicht mehr möglich, eine Alternative wird benötigt. Genau hier setzt BEM seit 2004 an. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels soll BEM eine längere Lebensarbeitszeit fördern.

Arbeitgeber ist verantwortlich

Die Durchführung des BEM liegt in der Verantwortung des Arbeitgebers. Der Prozess muss angestoßen werden, wenn ein Mitarbeiter in einem Zeitraum von zwölf Monaten länger als sechs Wochen lang- bzw. kurzfristig erkrankt war. Dabei sollen die Interessenvertretung sowie bei schwerbehinderten Menschen die Schwerbehindertenvertretung einbezogen werden. Eine weitere wesentliche Voraussetzung: BEM ist nur möglich, wenn der Arbeitnehmer zugestimmt hat. In der Praxis zeigt sich: Jeder BEM-Fall ist anders. "Das Ziel lautet stets, mit allen Beteiligten individuelle Maßnahmen zu definieren, die dem Arbeitnehmer die Rückkehr in den Beruf ermöglichen, von der Rehabilitation bis zum Arbeitsumfeld und der Arbeitsorganisation. Wichtig ist es dafür zunächst, ein enges Vertrauensverhältnis zu schaffen", schildert Gerrit Schieven, BEM-Koordinator, zertifizierter Disability Manager (CDMP) und Schwerbehindertenvertreter in der Bremer Niederlassung des Entsorgungsfachbetriebs Nehlsen GmbH & Co. KG. Die Vorteile für den Arbeitgeber liegen dabei auf der Hand: Eingesparte Mittel für Überbrückung, Neueinstellung und Einarbeitung zählen ebenso dazu wie die Gewissheit, vorhandenes Betriebswissen und Know-how nicht zu verlieren.

Studie zeigt Wirkung auf

Wie sich diese Vorteile in der Unternehmenspraxis widerspiegeln, belegt eine Studie der Universität zu Köln aus dem Jahr 2008. Laut der Erhebung wurde jeder zweite Betroffene durch BEM-Maßnahmen wieder erfolgreich eingegliedert - je größer der Betrieb, desto größer auch die Erfolgsquote. Zudem weist die Studie weitere Wirkungen aus: eine Reduzierung des Krankenstandes (laut 36 Prozent der Befragten), ein besseres Arbeitsklima (32 Prozent), ein höheres Engagement der Beschäftigten (30 Prozent). Auch Gerrit Schieven berichtet von Erfolgsgeschichten, die ohne BEM womöglich nicht so positiv verlaufen wären. "Eine erfolgreiche Wiedereingliederung ist für alle klasse. Sie zeigt, dass das Unternehmen hinter den Kolleginnen und Kollegen steht." Dabei geht das Unternehmen in Bremen auch konventionelle Wege, wie das Beispiel von Max M. zeigt: Er hatte bei Nehlsen eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer absolviert - bis zu einer schwerwiegenden Erkrankung, die kurz vor der Abschlussprüfung ärztlich bestätigt wurde.

Zügig wurden mit Max M. notwendige Schritte eingeleitet, der Antrag auf Gleichstellung "Schwerbehindertenstatus" wurde von der Bundesagentur für Arbeit befürwortet. Aufgrund der Behinderung konnte der Mitarbeiter seine Ausbildung als Berufskraftfahrer nicht mehr abschließen, konnte sich aber sehr gut eine Neuorientierung beim selben Arbeitgeber vorstellen. Ein Praktikum wurde vereinbart, alle Beteiligten zeigten sich mit dessen Verlauf zufrieden. Das Resultat: Heute besitzt der Mitarbeiter einen Ausbildungsvertrag zum Bürokaufmann mit einem besonderen Kündigungsschutz, erhält einen steuerlichen Vorteil durch die Behinderung und - wo nötig - Unterstützung durch die Bundesagentur für Arbeit. Aber vor allem: "Die neue Arbeit macht ihm sehr viel Spaß, wir konnten den Mitarbeiter im Unternehmen halten", so Gerrit Schieven weiter.

Defizite in kleinen Betrieben

Wie steht es zehn Jahre nach dem Beschluss des Gesetzgebers um die flächendeckende Durchsetzung? Konzerne und Großunternehmen haben als Vorreiter BEM sehr frühzeitig adaptiert - der Mittelstand und erst recht Kleinbetriebe folgen erst allmählich. Nach der Befragung der Kölner Wissenschaftler hinken mittelgroße Unternehmen (38 Prozent Einführungsquote) und Kleinbetriebe (nur 28 Prozent) deutlich hinterher. "Wenn die Hoffnungen, die von der Bundesregierung in das Betriebliche Eingliederungsmanagement gesetzt werden, erfüllt werden sollen, bedarf es weiterer intensiver Bemühungen der Politik, der Sozialleistungsträger und der Unternehmen um eine weitere Verbreitung, Akzeptanz und qualitativ hochwertige Umsetzung", kommentieren Gudrun Vater und Prof. Dr. Mathilde Niehaus, Lehrstuhl für Arbeit und Berufliche Rehabilitation an der Universität zu Köln, in einem Fachaufsatz.

Letzte Änderung: 08.07.2014