IT-Industrie im Wechselbad der Gefühle

rauf und runter

10.02.2006 Oracle entlässt 2000 Mitarbeiter nach Siebel-Übernahme - SAP will neue Mitarbeiter in Deutschland einstellen

Man achte genau auf die Wortwahl: der eine will (Absicht: einstellen) der andere macht (Beschluss: entlassen).

So unterschiedlich kann sich ein und dieselbe Branche verhalten. Man könnte doch meinen, dass das Leid des einen - Oracle - durch die Freud des anderen - SAP - kompensiert werden könnte. Aber weit gefehlt. Henning Kagermann - SAP - bemängelte laut tecchannel vom 18.1.06 das deutsche Arbeitsrecht. Das Arbeitsrecht, sagte er dort, müsse für die Unternehmen der Hightech-Industrie flexibler werden. So sei der Umzug eines Mitarbeiters innerhalb von Europa mit hohen bürokratischen Hürden verbunden.

Über die kulturellen Unterschiede in Europa schweigt er sich aus. Die scheinen ihn auch nicht weiter zu interessieren, uns aber schon. Und wenn die Belastung eines Umzugs durch finanzielle Unterstützung abgefedert wird, sind auch in Europa Umzüge nicht unmöglich. Das Arbeitsrecht kommt dabei erst ins Spiel, wenn von einem Arbeitnehmer immer mehr Flexibilität und Mobilität ohne finanziellen Ausgleich verlangt wird.

Die hohe Flexibilität in USA rührt ja wohl u.a. auch daher, dass dort immerhin 280 Mio Bürger über ganz USA verteilt mehr oder weniger eine Sprache sprechen (in der Arbeit und im Urlaub übrigens). Ganz besonders die Schutzgesetze sind in USA nicht das, wovon ein Arbeitnehmer gerne träumt, weil er ja immerhin im Unterschied zu einem Großaktionär wie H. Kagermann von seiner Hände Arbeit lebt. Bemerkenswert ist auch, dass ein Umzug USA-weit kaum an bürokratischen Hürden scheitert, aber bei Oracle (Peoplesoft) wird trotzdem entlassen statt umgezogen.

Also dürfte ein Einebnen der europäischen Kulturen und ganz besonders ein "Schleifen" des deutschen Arbeitsrechts auch keine Garantie für mehr Beschäftigung sein. Erst wegnehmen und dann seh"n wir schon - dieses Modell verträgt nur ein über beide Ohren abgesicherter Mensch. Welcher Arbeitnehmer kann das schon von sich behaupten?

Wir meinen, dass unser Arbeitsrecht kein alter Zopf ist, sondern lebensnotwendig für die Arbeitnehmer und eine gute Basis für die Arbeitswelt. Und da wir unser Arbeitsrecht nicht geschenkt bekommen sondern hart erstritten haben, verteidigen wir es - das ist es Wert!

Letzte Änderung: 21.03.2013