Die Qual der Wahl: Am 18.5.2010 BR-Wahl
SAP hat immer noch seine liebe Mühe, eine Betriebsratswahl nach außen hin geräuschlos ablaufen zu lassen. War es vor 4 Jahren noch die ganz überwiegende Meinung der Belegschaft, so etwas wie einen Betriebsrat bei SAP nicht notwendig zu haben und der von uns geförderten Betriebsratsgründergruppe 'Pro Mitbestimmung' lauthals Verrat an der SAP-Kultur vorwerfen zu dürfen, so sind es diesmal die Reaktionen auf eine gravierende Unregelmäßigkeit bei der Einreichung der Liste 1 von 8 unterschiedlichen Kandidatenlisten.
Die Belegschaft akzeptiert den Betriebsrat als wichtiges Schutzgremium

Dass ein Betriebsrat auch für die SAP-Belegschaft von großem Vorteil sein kann, hat sich inzwischen nach unseren Recherchen und zahlreichen Rückmeldungen von SAP-KollegInnen herumgesprochen. Die Stimmung gegenüber einer Arbeitnehmervertretung mit gesetzlicher Grundlage ist erheblich gestiegen. Nicht zuletzt die massive Personalreduzierung von weltweit über 3900 MitarbeiterInnen im Jahre 2009 und der den SAP-MitarbeiterInnen von oben verordnete Nullrunde in 2009 hat bei dieser Einsicht geholfen (die SAP-Vorstände genehmigten sich dagegen in diesem Krisenjahr 10 Mio. Euro mehr - da werden für viele SAPler deutliche Interessenunterschiede spürbar). Allzu deutlich unterschiedlich waren auch die Vorgehensweisen bei der Restrukturierung im betriebsratsfreien Ausland gegenüber denen in Deutschland mit den Instrumenten eines Betriebsrats. Dies, obwohl die Betriebsratsmehrheit bei der SAP AG nur äußerst sparsam Gebrauch von den gesetzlich verankerten Regelungsmöglichkeiten gemacht hat und bei der Gehaltsfrage sich bis heute nicht traut, die Mitbestimmung einzufordern.
Der Hürdenlauf 2010

Der diesjährige Wahlvorstand hatte für die Sicherstellung der korrekten BR-Wahl einige sehr selten auftretende Hürden zu meistern. Auf einer Liste war ein Kandidat bei der Listeneinreichung plötzlich verstorben, was gesetzeskonform mit der Korrektur der Liste in rechtlich einwandfreie Bahnen gelenkt wurde. Ganz anders war dies bei der neu aufgetretenen Liste Nr. 1 (entstanden aus BR-Mitgliedern der früheren Unabhängigengruppe und der Liste 'Wir für Dich'), die dem Wahlvorstand bei der Listenabgabe am 29.3.2010 zwar einwandfrei erschien und anhand der von der Personalabteilung ungepflegten (aber täglich zu pflegenden) Wählerliste auch einwandfrei erscheinen musste.
Ganze 19 Tage nach dem 1.4.2010 und damit 5 Arbeitstage vor der geplanten BR-Wahl merkte auch HR der SAP AG, das dieser Liste am 31.3.2010 ein Kandidat durch Wechsel von der SAP AG zur "SAP Deutschland AG & Co. KG" (LGD) abhanden gekommen war. Der Wahlvorstand stand jetzt plötzlich vor der rechtlich komplizierten Frage, ob diese Liste ungültig sei (weil einer der Kandidaten zum Wahltermin nicht mehr wählbar war) oder ob lediglich auch hier nur der Kandidat auf dem zur BR-Wahl ausgeteilten Wahlzettel zu streichen wäre. Die Kommentare zum BetrVG lassen auch hier eine Kandidatenstreichung zu, wenn der Wegfall eines Kandidaten "vor dem Wahltag" unverschuldet erfolgt.
Der Wahlvorstand fühlt sich hintergangen
Der Wahlvorstand entschied sich für die Nichtzulassung der Kandidatenliste, weil der Firmenwechsel zum 1.4.2010 schon lange, genau seit Dezember 2009, vom Betroffenen geplant war und der für die LGD zuständige Betriebsrat der Einstellung zum 1.4.2010 bereits am 3.2.2010 schriftlich zugestimmt hatte. Last but not least ist ein Firmenwechsel auch nicht von heute auf morgen üblich, denn die auch für den betroffenen Kandidaten geltende Kündigungsfrist gegenüber der SAP AG hätte dazu führen müssen, dass noch vor dem Abgabetermin der Listen am 29.3.2010 die Liste 1 den Mitarbeiter von der Liste streicht und für eine reduzierte Liste erneut 50 Stützunterschriften einholt. Nichts davon ist geschehen. Wenn dann noch die zuständige Personalabteilung erst 19. Tage später den Mitarbeiterwechsel dem Wahlvorstand meldet, ist die Verärgerung über soviel Schlamperei verständlich, denn der Wahlvorstand ist auf die korrekte und zeitnahe Aktualisierung der Wählerliste angewiesen.
Hinterher ist man meist klüger

Das von der betroffenen Liste eingereichte Eilverfahren am Arbeitsgericht in Mannheim nahm dann eine ganz andere Haltung als die verfügbaren Kommentare zum BetrVG ein. Das Arbeitsgericht erachtete in der mündlichen Verhandlung zwar die Rechtsauffassung des Wahlvorstands für nachvollziehbar, so der Mannheimer Richter. Oberstes Gebot sei jedoch die Sicherstellung einer einwandfreien BR-Wahl und die Vermeidung einer betriebsratslosen Zeit. Diese tritt automatisch am 31. Mai 2010 ein. Dagegen sei es durch Namensstreichung und Verschiebung der BR-Wahl auf den 18. Mai 2010 möglich, noch vorher zu einem ordentlich gewählten Betriebsrat ohne Listenstreichung zu kommen. Die Schuldfrage interessierte den Richter offensichtlich nur sekundär. Diesem Kompromiss stimmte dann auch der Wahlvorstand zu, sodass jetzt am 18. Mai 2010 endgültig die BR-Wahl bei der SAP AG mit nach wie vor 8 unterschiedlichen Listen erfolgen kann.
Wir hoffen, dass trotz dieser problematischen Entwicklung die SAP-Belegschaft zahlreich zur Wahl geht, denn schließlich entscheidet einzig und allein die Belegschaft, wer im neuen 39-köpfigen Betriebsrat die Interessen der Belegschaft vertreten soll. Wir setzen dabei voll auf die Liste Pro Mitbestimmung - denn die hat nicht nur den Betriebsrat in 2006 durchgesetzt, sondern auch ihre Kenntnisse im BetrVG in wöchentlichen Treffen und vielen Seminaren vertieft. Außerdem kann hier die Belegschaft sicher sein, immer rechtzeitig und umfassend von den Vorgängen im Betriebsrat unterrichtet zu sein, denn nur so können die Interessen der Belegschaft in die tägliche Betriebsratsarbeit einfließen.
Links:
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Letzte Änderung: 16.03.2013