BAG zu Zielvereinbarungen
Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 12.12.2007 Az. 10 AZR 97/07 folgende Leitsätze aufgestellt:
Leitsätze
1. Hat der Arbeitnehmer auf Grund einer Rahmenvereinbarung im Arbeitsvertrag Anspruch auf einen Bonus in bestimmter Höhe, wenn er die von den Arbeitsvertragsparteien für jedes Kalenderjahr gemeinsam festzulegenden Ziele erreicht, steht ihm wegen entgangener Bonuszahlung Schadensersatz zu, wenn aus vom Arbeitgeber zu vertretenden Gründen für ein Kalenderjahr keine Zielvereinbarung getroffen wurde.
2. Der für den Fall der Zielerreichung zugesagte Bonus bildet die Grundlage für die Schadensermittlung.
3. Trifft auch den Arbeitnehmer ein Verschulden am Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung, ist dieses Mitverschulden angemessen zu berücksichtigen.
Der Sachverhalt
Das BAG hatte eine Entscheidung über einen Schadensersatz wegen entgangener Bonuszahlung zu treffen, der folgender Sachverhalt zu Grunde lag:
Die Beklagte entwickelt für die Gastronomie Software für Kassensysteme und verkauft sie zusammen mit den entsprechenden Kassen an Gastronomen. Der Kläger war bei ihr auf Grund eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom 19. April 2005 ab dem 1. Mai 2005 gegen eine monatliche Bruttovergütung von 6.250,00 Euro als Leiter "Market Development" beschäftigt. Zusätzlich zum Festgehalt war eine erfolgsabhängige Vergütung (Bonus) von jährlich 50.000,00 Euro brutto bei 100 %iger Erreichung der für das Kalenderjahr festgelegten Ziele vereinbart.
Die Parteien streiten in der Revision noch über die Verpflichtung der Beklagten, an den Kläger für die Monate Januar bis März 2006 einen anteiligen Bonus zu zahlen.
Für die Monate Januar bis März 2006 trafen die Parteien keine Zielvereinbarung. Die Beklagte stellte den Kläger ab dem 8. März 2006 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei.
Muss der Arbeitnehmer die Zeilvereinbarung verlangen?
Hat allein der Arbeitgeber vor Beginn einer Zielperiode Ziele aufzustellen, bedarf es, anders als bei einer arbeitsvertraglichen Abrede über Zielvereinbarungen, keiner Mitwirkung des Arbeitnehmers. Gibt der Arbeitgeber keine Ziele
vor, verletzt der Arbeitnehmer bei einer Rahmenvereinbarung der Arbeitsvertragsparteien über Zielvorgaben keine eigenen Pflichten, wenn er den Arbeitgeber nicht auffordert, ihm Ziele vorzugeben. Die Initiativlast trägt allein
der Arbeitgeber. Ist für die Festlegung von Zielen eine Zeit nach dem Kalender bestimmt und gibt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine Ziele vor, bedarf es für den Verzug des Arbeitgebers auch keiner Mahnung des Arbeitnehmers
(§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB).
Eine Festsetzung von Zielen nach Ablauf der Zielperiode durch Urteil wird auch dem Motivationsgedanken nicht gerecht, der für Zielvereinbarungen maßgebend ist. Zweck von Zielbonussystemen ist die Förderung der Mitarbeitermotivation. Der für den Fall der Zielerreichung zugesagte Bonus als zusätzliche Vergütung dient als Anreiz. Diese Funktion kann ein an das Erreichen von Zielen geknüpfter Bonus nur erfüllen, wenn der Arbeitnehmer die von ihm zu verfolgenden Ziele bereits bei Ausübung seiner Tätigkeit kennt.
Die nachträgliche Bestimmung der Ziele im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung jedoch in aller Regel nicht möglich.
Eine ergänzende Vertragsauslegung setzt eine unbewusste Lücke einer vertraglichen Regelung voraus. Bei ihrer Schließung ist zu fragen, was die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Lücke bewusst gewesen wäre. Kommt eine nach der arbeitsvertraglichen Rahmenregelung abzuschließende Zielvereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien bis zum Ablauf der Zielperiode nicht zustande, fehlt es an einer unbewussten, ausfüllungsbedürftigen Lücke im Arbeitsvertrag.
Auf den Arbeitsvertrag kommt es an
Haben die Parteien im Arbeitsvertrag eine Rahmenvereinbarung bezüglich der Bonuszahlung getroffen und bewusst davon abgesehen, bereits im Arbeitsvertrag Ziele zu nennen, weil sie diese und deren Gewichtung für jede Zielperiode
gesondert vereinbaren wollten, haben sie deutlich zwischen der allgemeinen Regelung im Arbeitsvertrag und den für jede Zielperiode gesondert abzuschließenden Zielvereinbarungen unterschieden. Legen die Arbeitsvertragsparteien
entgegen der im Arbeitsvertrag getroffenen Rahmenvereinbarung keine Ziele fest, sei es aus Vergesslichkeit oder weil sie sich nicht auf Ziele verständigen können, wird dadurch der Arbeitsvertrag nicht nachträglich
lückenhaft. Eine nachträgliche Bestimmung von Zielen im Rahmen des durch den Arbeitsvertrag gezogenen Rahmens ist nicht möglich, wenn die Festlegung der Ziele nach dem Willen der Arbeitsvertragsparteien bewusst nicht im
Arbeitsvertrag erfolgt ist.
Die Frage, ob ein Arbeitnehmer bei nicht getroffener Zielvereinbarung einen Schadensersatzanspruch wegen der ihm entgangenen erfolgsabhängigen Vergütung hat, kann ohne die Berücksichtigung der Gründe für das Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung nicht entschieden werden (vgl. BSG 23. März 2006 - B 11a AL 29/05 R - NZA-RR 2007, 101). Oblag es dem Arbeitgeber, die Initiative zur Führung eines Gesprächs mit dem Arbeitnehmer über eine Zielvereinbarung zu ergreifen und hat er ein solches Gespräch nicht anberaumt, hat er eine vertragliche Nebenpflicht verletzt. Diese Pflichtverletzung kann einen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers begründen.
Auch wenn der Arbeitgeber nicht allein die Initiativpflicht hat, verletzt er eine vertragliche Nebenpflicht und kann deshalb zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet sein, wenn er der Aufforderung des Arbeitnehmers nicht nachkommt, mit ihm eine Zielvereinbarung abzuschließen.
Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Gläubiger Ersatz des hieraus entstehenden Schadens verlangen, wenn der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt. Dies gilt nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Diese Voraussetzungen einer Verpflichtung des Arbeitgebers zur Leistung von Schadensersatz sind erfüllt, wenn dieser seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung, für jede Zielperiode gemeinsam mit dem Arbeitnehmer Ziele festzulegen, nicht nachkommt und nicht gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB nachweist, dass er es nicht zu vertreten hat, dass eine Zielvereinbarung nicht zustande gekommen ist. Für einen Entlastungsbeweis des Arbeitgebers ist es dabei unzureichend, wenn er von Verhandlungen über eine Zielvereinbarung abgesehen hat, weil der Arbeitnehmer bisher die festgelegten Ziele nie erreicht hat.
Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen seine arbeitsvertragliche Verpflichtung, mit dem Arbeitnehmer für eine Zielperiode Ziele festzulegen, an deren Erreichen eine Bonuszahlung geknüpft ist, löst jedenfalls nach Ablauf der Zielperiode nach § 280 Abs. 3 BGB iVm. § 283 Satz 1 BGB einen Schadensersatzanspruch aus.
Nachträgliche Zielvereinbarung ist unmöglich
Die Festlegung von Zielen wird jedenfalls mit Ablauf der Zielperiode unmöglich iSv. § 275 Abs. 1 BGB, so dass der Arbeitnehmer nach § 280 Abs. 1 und Abs. 3 BGB iVm. § 283 Satz 1 BGB statt der Festlegung von Zielen
Schadensersatz verlangen kann.
Der Umfang des zu ersetzenden Schadens richtet sich nach den §§ 249 ff. BGB. Gemäß § 252 Satz 1 BGB umfasst der zu ersetzende Schaden auch den entgangenen Gewinn. Dazu gehört auch entgangener Verdienst aus
abhängiger Arbeit und damit auch eine Bonuszahlung.
Der Arbeitnehmer hat dabei eine Beweiserleichterung, denn er hat nur die Umstände darzulegen und in den Grenzen des § 287 ZPO zu beweisen, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen
Umständen des Falles die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts ergibt.
Grundlage der Schadensersatzhöhe
Hat der Arbeitgeber schuldhaft kein Gespräch mit dem Arbeitnehmer über eine Zielvereinbarung geführt, ist der für den Fall der Zielerreichung zugesagte Bonus bei der abstrakten Schadensberechnung nach § 252 Satz
2 BGB Grundlage für die Ermittlung des dem Arbeitnehmer zu ersetzenden Schadens. Zwar müssen Zielvereinbarungen nicht stets die in Aussicht gestellte Bonuszahlung auslösen. Sie verfehlen jedoch ihren Motivationszweck und
werden ihrer Anreizfunktion nicht gerecht, wenn die festgelegten Ziele vom Arbeitnehmer von vornherein nicht erreicht werden können. Auch kann sich ein Arbeitgeber der in der Rahmenvereinbarung zugesagten Bonuszahlung nicht dadurch
entziehen, dass er vom Arbeitnehmer Unmögliches verlangt und nur bereit ist, Ziele zu vereinbaren, die kein Arbeitnehmer erreichen kann. Dem ist bei der Ermittlung des Schadens nach § 287 Abs. 1 ZPO Rechnung zu tragen. Es ist
grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Arbeitnehmer vereinbarte Ziele erreicht hätte, wenn nicht besondere Umstände diese Annahme ausschließen. Solche besonderen Umstände hat der Arbeitgeber darzutun und
gegebenenfalls nachzuweisen.
Allerdings bedarf es anders als bei einer arbeitsvertraglichen Abrede über Zielvorgaben des Arbeitgebers bei Zielvereinbarungen der Mitwirkung des Arbeitnehmers bei der Aufstellung der Ziele für die jeweilige Zielperiode. Die Festlegung der Ziele ist damit nicht allein Aufgabe des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer verletzt eine vertragliche Nebenpflicht und hat weder einen Anspruch auf den Bonus noch einen Schadensersatzanspruch wegen entgangener Bonuszahlung, wenn allein aus seinem Verschulden eine Zielvereinbarung nicht zustande gekommen ist, weil er z.B. zu einem Gespräch mit dem Arbeitgeber über mögliche Ziele nicht bereit war.
Ist in der Rahmenvereinbarung nicht ausdrücklich geregelt, dass der Arbeitgeber die Initiative zur Führung eines Gesprächs mit dem Arbeitnehmer über eine Zielvereinbarung zu ergreifen hat, und führt auch die Auslegung der Bonusregelung nicht zu einer alleinigen Pflicht des Arbeitgebers, die Verhandlungen über die Zielvereinbarung einzuleiten, bei einer nicht zustande gekommenen Zielvereinbarung nicht stets davon auszugehen, dass nur der Arbeitgeber die Initiative zu ergreifen und auf Grund seines Direktionsrechts ein Gespräch mit dem Arbeitnehmer über mögliche Ziele und deren Gewichtung anzuberaumen hatte.
Achtung Mitverschulden
Beruht das Nichtzustandekommen einer Zielvereinbarung auf Gründen, die sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer zu vertreten haben, ist ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers wegen der entgangenen
erfolgsabhängigen Vergütung nicht ausgeschlossen (aA Bauer/Diller/Göpfert BB 2002, 882, 883) . Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber nicht erst durch eine Mahnung des Arbeitnehmers mit den von ihm zu
führenden Verhandlungen über die Zielvereinbarung in Verzug gerät, sondern die Zielvereinbarung nach der arbeitsvertraglichen Regelung vor Beginn der Zielperiode abzuschließen ist oder für den Abschluss der
Zielvereinbarung eine andere Zeit nach dem Kalender bestimmt ist (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Trifft auch den Arbeitnehmer ein Verschulden daran, dass eine Zielvereinbarung unterblieben ist, ist dieses Mitverschulden des Arbeitnehmers
nach § 254 BGB angemessen zu berücksichtigen.
Dies wird danach zu beurteilen sein. Das Landesarbeitsgericht wird ferner zu beurteilen haben, ob nach der arbeitsvertraglichen Regelung für den Abschluss der Zielvereinbarung für die Monate Januar bis März 2006 eine Zeit nach dem Kalender bestimmt war. War dies der Fall und oblag allein der Beklagten die Initiativpflicht, liegt ein Mitverschulden des Klägers an der unterbliebenen Zielvereinbarung auch dann nicht vor, wenn er nicht nachweist, dass er den Geschäftsführer der Beklagten im Januar 2006 zum Abschluss einer Zielvereinbarung aufgefordert hat. Bedurfte es einer Mahnung des Klägers und weist dieser die von ihm behauptete Aufforderung des Geschäftsführers der Beklagten nicht nach, wird das Landesarbeitsgericht gemäß § 254 Abs. 1 BGB bei der Ermittlung des Schadens nach den §§ 252 BGB, 287 ZPO ein Mitverschulden des Klägers zu berücksichtigen haben.
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Letzte Änderung: 18.03.2013