Mitbestimmung bei " codes of conduct "
Das Bundesarbeitsgericht hat am 22.7.2008 einen Beschluss gefällt, dass der Betriebsrat mitzubestimmen hat, wenn der Arbeitgeber durch sog. Ethik-Richtlinien (codes of conduct) das Verhalten der Beschäftigten und die betriebliche Ordnung regeln will. Dies trifft auch im vollen Umfang zu, wenn ausländische Vorschriften für börsennotierte Unternehmen die Einführung von Ethik-Richtlinien vorsehen. Im konkreten Fall ging es um die Richtlinien bei der Honeywell Deutschland Holding GmbH (Offenbach).
Was heißt das für die Geschäftsgrundsätze der SAP AG?
Auch die Geschäftsgrundsätze der SAP AG dürften weitgehend unter das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats fallen. So heißt es auf Seite 3 des SAP-Regelwerks:

"Die Geschäftsgrundsätze regeln Verhaltensstandards für den Umgang mit allen wirtschaftlichen, juristischen und moralischen Herausforderungen des Geschäftsalltags und sollen ein Maßstab und eine Hilfe für
die Zusammenarbeit mit Kunden, Lieferanten, Partnern ebenso sein wie für das Verhalten gegenüber Wettbewerbern ...".
Und weiter auf Seite 9 stellt SAP fest: "Die Mitarbeiter der SAP AG geben betriebliche Unterlagen und Informationen nicht an Dritte weiter und machen sie auch nicht auf andere Weise außerhalb des Unternehmens bekannt oder
für Dritte zugänglich." Eine Vorschrift, die es der Belegschaft generell verbietet, betriebliche Informationen ohne Ansehen des Vertraulichkeitsgrades weiterzugeben, dürfte bei einem Betriebsrat, der die Interessen der
Belegschaft vertritt und die Gesetze kennt, einige Mitbetimmungsphantasien aufkeimen lassen. Ein Unternehmen ist kein Hochsicherheitstrakt für weggesperrte Bürger.
Gibt es Ausnahmen?

Ausnahmen vom Mitbestimmungsrecht sind laut BAG-Beschluss nur dann zu machen, wenn es sich in diesem Regelwerk um Vorgaben handelt, mit denen lediglich die geschuldete Arbeitsleistung konkretisiert werden soll (es sich also um reine Arbeitsanweisungen handelt, die nicht in erster Linie auf das Verhalten der Beschäftigten abheben). Dasselbe gilt, wenn die zu regelnden Angelegenheiten abschließend bereits gesetzlich geregelt sind. Der Betriebsrat kann laut BetrVG nur mitbestimmen, wenn "keine" abschließende gesetzliche oder tarifliche Regelung zu dem Regelungssachverhalt besteht. Beispiel: Das LAG Düsseldorf hat im Fall Wal-Mart eine Bestimmung für nichtig erachtet, weil sie gegen ein geltendes deutsches Gesetz verstößt. Wegen der Nichtigkeit dieser Klausel gibt es dann auch für einen Betriebsrat nichts mehr mitzubestimmen.
Das Mitbestimmungsrecht des BR gilt auch bei SAP

Auch hier gibt die SAP-Regelung Hilfestelung. Es heißt dort: "Die Geschäftsgrundsätze für Mitarbeiter gehen über rein gesetzliche Regelungen hinaus." Also ist Mitbestimmung vorauszusetzen.
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats kann auch nicht dadurch unterlaufen werden, dass die Leitung den "Code" an ihre Arbeitnehmer verteilt und deren schriftliches Einverständnis mit dem Inhalt der Richtlinie einholt.
Rechtsquellen:
1. Senat des Bundesarbeitsgerichts, Beschluss vom 22. Juli 2008 - 1 ABR 40/07.
Siehe auch LAG Düsseldorf vom 14.11.2005 (10 TaBV 46/05 - Wal-Mart-Ethikrichtlinie)
Links:
BAG-Pressemitteilung Nr. 58/08
Whistleblower-Klauseln in Ethikrichtlinien unterliegen der Mitbestimmung
Die arbeitsrechtliche Implementierung von Compliance- und Ethikrichtlinien
WalMart-Ethikrichtlinie verstößt gegen das Grundgesetz
SAP AG - GESCHÄFTSGRUNDSÄTZE FÜR MITARBEITER in der Fassung vom März 2006
IGM Argumente gegen eine SAP Mitarbeitervertretung, die kein Betriebsrat ist
Demokratieverständnis: Mehrheit ist nicht dasselbe wie "Recht haben"
Letzte Änderung: 18.03.2013