Lebensmittelpreise

03.08.2007 Essen muss bezahlbar bleiben

Ein Zwischenruf von Manfred Bleskin:

Milchkühe auf der Wiese

Es grenzt schon fast an ein Wunder: Die Lebensmittelpreise stiegen seit 1995 jährlich nur um 0,8 Prozent, die übrigen Lebenshaltungskosten wuchsen mit 1,4 Prozent pro Jahr fast doppelt so hoch. 12 Prozent ihres Einkommens geben die Bundesbürger fürs Essen und Trinken aus, alkoholische Getränke ausgenommen. In den siebziger Jahren waren es 30 Prozent, in den Fünfzigern gar 40 Prozent.

Niemand in diesem Land muss hungern. Das ist ein hoher gesellschaftlicher Wert. In einem Gemeinwesen, das etwas auf sich hält, ist ein Wert mehr als nur Mehrwert. Die relativ niedrigen Preise bei Lebensmitteln waren stets Kompensation für die hohen Ausgaben bei Wohneigentum, Mieten, Energie und Transport. Nun sollen die Preise für Milch, Molkereiprodukten und Fleisch steigen, und zwar drastisch. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, dann werden auch die Preise für Brot anziehen. Was dem Milcherzeuger und Fleischproduzenten billig ist, kann dem Getreidebauern nur recht sein.

Die Preiserhöhungen werden die Einkommensschwachen in unserem Land naturgemäß am heftigsten treffen. Schon jetzt müssen viele, zu viele, den Groschen für ihr täglich Brot zweimal umdrehen, bevor sie ihn ausgeben. Ein Großteil von ihnen wird nicht hungern, aber spürbar schlechter leben.

Es würden ja auch Preise sinken, sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Ludwig Stiegler, im Interview bei n-tv: Telefonkosten, zum Beispiel. Nur macht dies nicht satt. Die Bezüge würden alle zwei Jahre angepasst, sagt CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Stimmt nicht. Gemäß § 20 Abs. 4 SGB II wird die Regelleistung bei Hartz-IV-Empfängern sogar jährlich, jeweils zum 1. Juli, angeglichen. Trotzdem dumm gelaufen: Denn für die Betroffenen heißt dies nun ein Jahr lang warten. Es ist für 7,4 Millionen Menschen ohnehin ein Kreuz, mit weniger als 350 Euro im Monat über die Runden zu kommen.

Und niemand will doch wohl behaupten, die jüngste Erhöhung der Altersbezüge für die 20 Millionen Rentner um 0,54 Prozent könnte die Preissteigerung im Allgemeinen und die bei den Lebensmitteln im Besonderen wettmachen. Nach Angaben des Kinderschutzbundes hat sich die Zahl der in Armut lebenden Kinder 2006 gegenüber 2004 auf 2,5 Millionen verdoppelt. Damit wächst die Kinderarmut UNICEF zufolge schneller als in anderen Industrieländern. Mangelhafte Ernährung in der Kindheit führt zu physischen und psychischen Dauerschäden. Deutschland kann es sich nicht leisten, seine Zukunft mit einer solchen Hypothek zu belasten.

Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer hat recht, wenn er die Preiserhöhungen überzogen nennt. Essen muss bezahlbar bleiben, und zwar für alle. Drum sollte sich die Bundesregierung rasch etwas einfallen lassen, und nicht erst zum 1. Juli 2008.

Letzte Änderung: 20.03.2013