Hoffentlich nicht Allianz verunsichert

Von anderen Firmen lernen

19.06.2007 In manchen Abteilungen herrscht Land unter - wenn der Arbeitgeber das Stellenkarussell dreht, ist das Spiel vorbei

Stellen Sie sich vor, Sie kommen morgens ins Büro, lassen Ihren Computer hochfahren und plötzlich präsentiert Ihnen der PC eine Mail von der Geschäftsleitung. Jede/r einzelne MitarbeiterIn wird aufgefordert, sich auf eine Reihe von Arbeitsplätzen zu bewerben. Sie haben zwar ein paar Tage Zeit, um dieser "Arbeits-Anweisung" nachzukommen, aber ignorieren sollten Sie diese Mail nicht. Auf Anfrage wird Ihnen das Ihr Vorgesetzter auch glaubhaft versichern.

Reise nach Jerusalem?

Kann nicht wahr sein? Ein Virus im PC? Verspäteter Aprilscherz? Wie soll ich das neben meiner Arbeit noch stemmen? All diese plötzlich auftretenden Fragen gehen leider an der Realität vorbei. Diese Verunsicherungsmaßnahme ist für tausende MitarbeiterInnen der Allianz SE leider raue Wirklichkeit geworden. Und nicht nur hier im weltgrößten Versicherungskonzern, auch andere Firmen haben sich dem Vernehmen nach für diese moderne Art der "Reise nach Jerusalem" begeistern lassen. Unternehmensberater haben sich einen neuen Trend ausgedacht. Mehr Wettbewerbsdruck durch Verunsicherung. Weitere profitable Firmen werden folgen. Ja, profitabel muss man schon sein, wenn man eine derart teuere Verunsicherungskampagne startet.

Karussell mit massivem Arbeitsplatzverlust

Während in der Münchner Allianz-Arena regelmäßig die Fußball-Begeisterung tobt, gibt es für die Beschäftigten eines der weltweit führenden Versicherungsunternehmen und Finanzdienstleister nichts mehr zu feiern. Die im Herbst 2006 formierte europäische Aktiengesellschaft Allianz SE (Societas Europaea) ist fest entschlossen, 20 % der Arbeitsplätze im sog. "Deutschlandgeschäft" zu streichen. Diese jetzt gestartete Stellenkarussell-Maßnahme ist aber nur rein zufällig parallel angeordnet worden - laut Aussagen des Allianz-Managements. Sie hat rein gar nichts mit der beabsichtigten Streichung von ca. 5.700 Allianz-Arbeitsplätzen zu tun, schließlich heißt dieses Mammutprojekt ja "Stellenbesetzungsverfahren". Die MitarbeiterInnen sehen das aber internen Umfragen zufolge gänzlich anders. Aber was gilt schon das nicht organisierte Wort der besorgten MitarbeiterInnen?

Rekordgewinne: Hoffentlich Allianz versichert . . .

Die Allianz-MitarbeiterInnen wähnten sich bisher - wie viele andere Arbeitnehmer profitabler Firmen auch - in Sicherheit. Hoffentlich Allianz versichert - so heißt seit 1958 der Slogan, mit dem Werbungspolicen für diverse Versicherungsangebote unters Volk gebracht werden. Dieser Spruch gilt offensichtlich nicht für die Belegschaft der reichsten und größten Versicherung Deutschlands mit jährlichen Rekordgewinnen: Im Jahr 2006 über 7 Mrd. Euro Nettogewinn. Jetzt ist es modern, die Belegschaft zu verunsichern, Konkurrenz zu schüren, Angst vor dem "wie soll's weitergehen" zu erzeugen - koste es, was es wolle. Wie wir immer wieder feststellen, sollte man nicht von seiner Treue zum Unternehmen auf die Treue des Unternehmens zum "teuren Mitarbeiter" schließen.

Letzte Änderung: 20.03.2013