SAP-Hauptversammlung 10.05.2007

Nein oder weiß nicht - schon fällt man auf

11.05.2007 SAP rief nach Mannheim und viele kamen

Die Aktionäre üben ihre Rechte in den Angelegenheiten der Gesellschaft grundsätzlich in der Hauptversammlung aus. Zu den Kompetenzen der Hauptversammlung gehört es unter anderem, Vorstand und Aufsichtsrat durch Beschluss die Entlastung zu erteilen. Tut sie es nicht, ist es auch nicht schlimm. Da stellt sich doch die Frage: Was treibt eigentlich einen Kleinaktionär in eine Hauptversammlung? Was rechtfertigt den nicht geringen Aufwand, ins überfüllte Mannheim zu fahren, um "präsent" zu sein?

Der kostenlose Kaffee, der Orangensaft, das mittägliche Einheitsessen im Stehen? Einmal wieder Hasso Plattner oder Henning Kagermann "live" erleben? Für viele Aktionäre gab's wegen des großen Andrangs diese Ikonen der Softwareindustrie nur per Großbildleinwand, lohnt sich das wirklich? Ist es der Mühe wert, sich an den mehr oder weniger rhetorisch versierten Vertretern der Kleinaktionäre zu erfreuen und ihre verhaltene Kritik am SAP-Geschäftsgebahren durch den Kopf gehen zu lassen? Oder will man einfach nur mal wieder ganz SAP sein dürfen, ohne dafür arbeiten zu müssen?

Vielleicht ist es von allem etwas. Was es nicht ist, von Gesetzes wegen aber sein sollte, ist die Übermittlung von zusätzlichen, fundierten Informationen, um Einfluss nehmen zu können auf die wesentlichen Entscheidungen der SAP AG!

Über das hinaus, was man sowieso im SAP-Geschäftsbericht 2006 selbst lesen konnte und jederzeit kann, war buchstäblich Null-Komma-Nichts zu erfahren. Bestenfalls konnte man die Geschicklichkeit bewundern, wie der Vorstandsvorsitzende Henning Kagermann und der Aufsichtsratsvorsitzende Hasso Plattner in einvernehmlicher Zusammenarbeit die angebotenen Untiefen umschifften.

Warum ist Agassi Hals über Kopf gegangen? Shai Agassi ist einfach ein junger, unbändiger Unternehmertyp, der sich nicht länger seinen privaten Neigungen versagen möchte. Da war er einfach nicht mehr im SAP-Vorstand zu halten. Was kostet der Agassi-Ausstieg? Kann man die Abfindung auf 2 Jahresgehälter begrenzen? Shai Agassi wird eine Abfindung bekommen, man wird sich mit ihm sicher einig (siehe Anmerkung unten). Oracle bezichtigt SAP des organisierten Datendiebstahls und der Industriespionage, was ist an der Oracle-Klage dran? Ja, Oracle hat SAP verklagt, aber SAP bastelt gerade an einer umfangreichen Klageschrifterwiderung. Da waren diejenigen Kleinaktionäre, die einen WLAN-fähigen Laptop dabei hatten, besser informiert. Den NEWS konnte man entnehmen, dass die Klage von Oracle gegen SAP eine unerwartete Wendung genommen hat und der Prozess sich voraussichtlich erheblich verzögern wird. Grund dafür sei, dass die verantwortliche Richterin Maxine Chesney des Bezirksgerichts Nordkalifornien sich überraschend aus dem Fall zurückgezogen hat, weil sie ihre Qualifikation für einen solchen Prozess für nicht ausreichend hält.

Frage: Welche Rolle spielt die texanische SAP-Tochter "Tomorrow Now" in der Oracle-Klage? Keine Antwort. Frage: Wie viele Kunden hat Oracle mit ihrem Programm "off sap" bereits eingefangen ("... there is another way to upgrade your SAP systems - by moving to Oracle ...")? Keine Antwort.

Frage: Die Kapitalvertreter im SAP-Aufsichtsrat sind gleichzeitig in vielen anderen Aufsichtsräten vertreten und für einen Global Player wie SAP wird sich der neue Aufsichtsrat auffällig stark aus deutschen Vertretern zusammensetzen? Wenn man gute Connections und fähige Mandatsträger wünscht, muss man so was in Kauf nehmen. Die Herren sind eben sehr begehrt. Internationale Vertreter bringen große Probleme bei Terminabsprachen mit sich. Joachim Milberg, einer der beiden neu zu wählenden Aufsichtsratsmitglieder, macht das Problem der Ämterhäufung sehr deutlich: Der Aufsichtsratsvorsitzende der BMW AG, Joachim Milberg, hatte sich für die am gleichen Tag stattfindende MAN-Hauptversammlung entschieden statt für eine persönliche Vorstellung bei der SAP-Hauptversammlung! Kommentar SAP: Er kann sich halt nicht teilen.

So in etwa und so wenig qualifiziert sind die Antworten. Dabei hatte man schon Glück, wenn überhaupt auf die gestellte Frage eingegangen wurde. Ganz kritische Fragen werden erst gar nicht zur Kenntnis genommen. Was man nicht beantwortet, sagt man auch nicht falsch.

Hasso Plattner weiß aber auch, wie man gezielt nichts sagt. So z.B. zur Frage nach dem Nachfolger für Henning Kagermann: "Ich sage der Presse, was dieses Thema betrifft, nichts mehr. Eine solche Frage plant man, entscheidet man und verkündet man - in dieser Reihenfolge". Man ist so bei SAP.

Dafür eine beschwerliche Anreise und einen Tag opfern? Wenn wenigstens die Möglichkeit bestünde, mit den Stimmen der Kleinaktionäre die eine oder andere Abstimmung zu kippen. Aber diesen Ausflug in die Demokratie wissen die Großaktionäre schon zu verhindern, ganz sicher. Auch Joachim Milberg wurde schließlich trotz Abwesenheit in den SAP-Aufsichtsrat gewählt. Wenn auch die Stückzahlpräsenz in dieser Hauptversammlung bei 57,55 % lag, die Mehrheit der Stimmen liegt immer bei den Großen - das und deren Meinung weiß der Vorstand schon vorher.

Um dieses den Kleinaktionären nicht so arg bewusst werden zu lassen, sind die Abstimmungen bestens organisiert. Wer für die vom Vorstand oder Aufsichtsrat gestellten Anträge ist, bleibe bitte ohne Zeichen. Nur "Nein"-Stimmen und Stimmenthaltungen müssen sich erheben und ihre Stimmkarte ankreuzen und im Hauptsaal abgeben. Ergebnis: Eine "schweigende Mehrheit" in Mannheim.

So bleibt auch die SAP-Hauptversammlung das, was auch für andere Hauptversammlungen gilt. Ein Kleinaktionärsberuhigungsmeeting mit Sättigungsbeilage. Und auch die Interessenvertreter der Kleinaktionäre halten sich an ihre Rolle: Sie bringen durch ihre Fragen etwas Farbe in die ansonsten reine Geschäftsberichtvorleseveranstaltung.

ANMERKUNG:
In vielen Aktiengesellschaften soll es gängige Praxis sein, dass das ausscheidende Vorstandsmitglied als Abgeltung einen Anspruch auf Auszahlung seiner vereinbarten Jahresgesamtbezüge (Grundgehalt, Zieltantieme und Nebenleistungen) für die restliche Vertragslaufzeit, mindestens aber für 3 Jahre hat. Interessant ist Shai Agassis eigene Begründung, warum er SAP verlassen habe, siehe aktuelle Ausgabe von "Wallstreet Journal Online": "I became not only an agitator, but a lightning rod for a lot of things," Mr. Agassi says.

Letzte Änderung: 20.03.2013