AUB - IG Metall stellt Strafantrag
Das teilte die Gewerkschaft am Montag, den 2. April 2007 in Frankfurt mit. "Wir haben den Verdacht und Indizien dafür, dass die AUB durch das Unternehmen Siemens finanziert wurde, um eine Art Gegen-Gewerkschaft zur IG Metall aufzubauen", sagte der Erste Vorsitzende der IG Metall, Jürgen Peters. Die IG Metall sei dadurch möglicherweise in ihrer Arbeit und bei Betriebsratswahlen benachteiligt worden. "Durch die Klage wollen wir endlich Transparenz haben", sagte Peters.
Ob es aber gelingt, hier Licht ins Dunkel zu bringen, ist z.Z. offen. Aktionärsschützer haben in den vergangenen Wochen wiederholt bezweifelt, ob der frühere, langjährige Vorstandsvorsitzende der Siemens AG und jetzige Aufsichtsratsvorsitzende Heinrich von Pierer der richtige Mann für die erforderliche Transparenz sein kann.

Kann Heinrich von Pierer glaubwürdig eine politische Affäre aufklären, deren Ursprung in die Zeit zurückreicht, als er noch Vorstandsvorsitzender der Siemens AG war? In den Augen vieler Experten ist eben die typische Laufbahn verdienter deutscher Manager - der Wechsel vom Posten des Vorstandschefs direkt an die Spitze des obersten Kontrollgremiums, in den aAufsichtsrat - höchst problematisch. Ein solcher Rollentausch kann schnell zu Interessenskonflikten führen (siehe unsere Linkliste unten und die aktuellen Pressemeldungen).
Der Zweite Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, ergänzte, im Fall Siemens handle es sich nicht um die Verfehlungen einzelner Betriebratsmitglieder, sondern möglicherweise um die systematische Begünstigung einer Organisation. "Das wäre in dieser Dimension ein bisher nicht da gewesener Fall", betonte Huber. "Nur die Staatsanwaltschaft verfügt über die Mittel, eine der Tragweite dieses Vorganges angemessene Aufklärung zu leisten." Bei der AUB handle es sich nicht um eine Gewerkschaft, auch nicht, wie sie selbst behauptet, um eine andere Gewerkschaft. "Die AUB hat weder Tarifverträge abgeschlossen, noch ist sie in der Lage, einen Streik zu führen", sagte Huber.
Die Beschäftigten eines Unternehmens sind gut beraten, wenn sie bei betrieblichen Wahlen die unter der Fahne "Unabhängig" segelnden Listenvertreter fragen, von "wem" sie denn unabhängig sein wollen und warum. Um z.B. einen Tarifvertrag für die Beschäftigten durchsetzen zu können, müsste die AUB nicht "unabhängig" von der Gewerkschaft sein, sondern unabhängig von der Arbeitgeberseite!

Genau das ist die AUB aber auf keinen Fall. Immerhin hat die Süddeutsche Zeitung jetzt aufgedeckt, dass Gelder aus den schwarzen Kassen der Siemens AG über den AUB-Bundesvorsitzenden W. Schelsky dazu verwendet wurden, um im Nov. 2003 mittels AUB-Plakate auf öffentlichem Grund gegen den Betriebsrat des größten Siemens-Standortes zu polemisieren, als der sich gegen die Streichung von 2600 Arbeitsplätzen wehrte. Dies hatte zu einer hohen Verunsicherung der von Kündigung bedrohten Belegschaft geführt, weil sich hier eine sog. Arbeitnehmervertretung eindeutig für die Interessen der Siemens AG einsetzte. Dies hat der AUB in der darauf folgenden BR-Wahl 2004 mehr als die Hälfte ihrer BR-Mandate gekostet.
Geschäftsmodell AUB: Abwehr von Gewerkschaften als Personaldienstleistung
Es spielt nur eine untergeordnete Rolle, welche Absichten und Ziele einzelne AUB-Mitglieder verfolgen. Grundsätzlich ist die Ausrichtung, die Wirkung und vor allem die Finanzierung einer Organisation entscheidend. Hier muss angemerkt werden, dass es schlicht gesetzeswidrig und strafbar ist, Betriebsratsmitglieder durch die Unternehmensseite direkt oder indirekt zu begünstigen. Eine solche "Gegnerfinanzierung" beschädigt auch die grundgesetzlich geschützte Koalitionsfreiheit. Nach allem, was bis jetzt bekannt geworden ist, handelt es sich bei der AUB offensichtlich um eine von Arbeitgeberspenden abhängige Tarnorganisation, deren Aufgabe es ist, die grundgesetzlich geschützten Gewerkschaften zu schwächen, die Betriebsratsarbeit im Unternehmersinne zu beeinflussen und damit die Arbeitnehmerrechte zu unterlaufen.
------ Auszug aus der Tagesschau ------
Interview mit Ulrich Thielemann, Wirtschaftsethiker in St. Gallen (Tagesschau 29.03.2007)
Thielemann: Im Fall Siemens ist allerdings gar nicht klar, ob es sich bei der besagten AUB (Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Betriebsangehöriger) überhaupt um einen Betriebsrat im eigentlichen Sinne handelt.
Möglicherweise handelt es sich eher um einen Anbieter einer Dienstleistung für Unternehmen, von dem Siemens - dann allerdings wohl illegal - eine besondere Leistung eingekauft hat, nämlich ihr genehme Betriebsräte.
------ Ende Auszug aus der Tagesschau ------
Insofern ist es eher verwunderlich, dass - Zeitungsberichten zufolge - die Staatsanwaltschaft Nürnberg dem

Verdacht nachgeht, dass das Gründungsmitglied der AUB und der langjährige AUB-Bundesvorsitzende Wilhelm Schelsky 34 Mio Euro "ohne nennenswerte Gegenleistung" von der Siemens AG erhalten habe. Weiterhin verdächtigt die Staatsanwaltschaft in Nürnberg in diesem Zusammenhang den Siemens Manager Johannes Feldmayer der Untreue. Wieso das? Das amtierende Vorstandsmitglied Feldmayer hatte zwar 2001 einen Beratervertrag mit Schelsky unterschrieben, aber wieso war Feldmayer damit der Siemens AG untreu?
Aktuelle Pressemeldung: Siemens bestätigt Rücktritt von Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer, siehe Linkliste. Aber auch nach diesem spektakulären Rücktritt ist das Kapitel AUB nicht zuende: Alle erhobenen Vorwürfe müssen restlos aufgeklärt werden. Auch ein Global Player muss demokratische Spielregeln akzeptieren. Das gilt nicht nur für die Siemens AG.
Links:
Der Fall AUB - ein Konzern-Skandal um willfährig gemachte Betriebsräte
Der Tagesspiegel: Siemens soll eine Gegen-Gewerkschaft aufgebaut haben
AUB geht in Deckung: Neuer Verein, neuer Name, neuer Vorstand
Was ist eigentlich eine Gewerkschaft?
Nova express - SIEMENS: Wir gehören zur Familie
Der amtierende Aufsichtsratschef und Kanzlerberater Heinrich von Pierer geht
Siemens bestätigt Rücktritt von Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer
Wenn jemand die Betriebsratsarbeit behindert oder stört, dann . . .
Definition: Die Koalitionfreiheit - Art. 9 III Grundgesetz
Beispiel für Koalitionsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 3 GG
Interview: Ulrich Thielemann - Der Druck verführt zu unlauteren Methoden
Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit gem. § 93 AktG und gem § 116 AktG
Letzte Änderung: 20.03.2013