Geheimes Gehaltssystem? Teil 1

Das SAP-Gehaltssystem, Info v. 19.1.2007

02.02.2007 SAP scheut die betriebsinterne Öffentlichkeit

Die SAP AG hat zwar seit Juni 2006 einen Betriebsrat, aber mit daraus ableitbaren grundlegenden Änderungen der betrieblichen Abläufe scheint die Geschäftsleitung offensichtlich nicht zu rechnen. Die überwiegende Mehrheit der 37 Betriebsratsmitglieder begünstigt diese seltsame Haltung leider auch noch durch fehlende Initiative. Die gewerkschaftlich orientierte Liste ProBetriebsrat ist da ganz anders gestrickt. Sie hat die Gründung eines SAP-Betriebsrats im Juni '06 gegen große Widerstände durchgesetzt, weil sie mit den dadurch gegebenen Möglichkeiten mehr Offenheit und Transparenz für die SAP-KollegInnen schaffen will. Ein erstes, wichtiges Beispiel für mangelnde Transparenz ist aus Sicht der ProBetriebsrat-Liste das SAP-Gehaltssystem. Die SAP-Leitung nimmt sich zwar die Freiheit, detaillierte Daten über die Gehaltsstruktur mit ihren Mitbewerbern und Konkurrenten auszutauschen, lässt aber die eigene Belegschaft im Unklaren über wesentliche strukturelle Informationen, wie:

  • die Gesamtheit der Orientierungswerte der verschiedenen Gehaltsgruppen
  • die Regeln zur Budgetverteilung über die verschiedenen Abteilungen.

Über die tatsächlichen Gehälter werden natürlich zu Recht keine Angaben publiziert. Das will auch ProBetriebsrat nicht.

Der Betriebsrat darf kein Geheimrat sein

Ein Geheimrat wäre sinnlos für die Belegschaft: Es reicht nicht, wenn nur der Betriebsrat oder einzelne BR-Ausschüsse über mündliche Informationen zum geltenden Gehaltssystem verfügen. Diese Informationen sind auch unserer Auffassung nach selbstverständlich allen Beschäftigten in einfacher, verständlicher Form zugänglich zu machen. Nur so kann jeder sein eigenes Gehalt besser einordnen und willkürliche Maßnahmen bei der Gehaltsfestsetzung erkennen. Dies ist in anderen deutschen Unternehmen selbstverständlich, warum soll SAP in diesem Punkt anders sein? Das Gehalt ist kein Griff in die Tombola, sondern es ist ein Vertragsbestandteil.

Ein unübliches Dokument: SAP-Gehaltssystem 2007

Der Arbeitgeber ist zwar vom zuständigen Betriebsratsausschuss zu verbesserter Transparenz aufgefordert worden, ist dieser Pflicht aber bisher nicht in befriedigender Weise nachgekommen. So hat die BR-Liste ProBetriebsrat ein eigenes Dokument verfasst, das die wesentlichen Aspekte des Zielgehaltssystems erläutert und bewertet. Dieses Dokument ist von der ProBetriebsrat-Liste den anderen Betriebsratsmitgliedern und dem Arbeitgeber am 19. Januar vorgelegt worden mit der Bitte um Hinweis auf sachliche Fehler. Anschließend sollte das "SAP-Gehaltssystem 2007" titulierte Dokument innerhalb der SAP publiziert werden. Wohlgemerkt "innerhalb der SAP".

Erste prompte Reaktion der Geschäftsleitung

Anstatt auf das Dokument näher einzugehen oder den Verfassern ein Gesprächsangebot zu machen, verlangte der Arbeitgeber von den drei ProBetriebsrat-Listenmitgliedern prompt eine Unterlassungserklärung. Darin sollten sich diese dazu verpflichten, die Gehaltsinformation der Belegschaft vorzuenthalten. Darauf hat sich aber die Liste im Interesse der Belegschaft nicht eingelassen. Der Arbeitgeber drohte daraufhin, den Betriebsrat und auch den zuständigen BR-Ausschuss im Beisein der ProBetriebsrat-Mitglieder nicht mehr über das Gehaltssystem zu informieren. Dies ist aber mit dem § 2 BetrVG nicht vereinbar, Stichwort: "Vertrauensvolle Zusammenarbeit" (siehe unten, Linkliste).

Zweite Reaktion der Geschäftsleitung

Am 30.1.2007 wurde der Arbeitgeber dann massiver, er rief das Arbeitsgericht Mannheim an. Per Einschreiben flatterte den drei BR-Mitgliedern der Liste ProBetriebsrat eine gerichtliche Ladung mit dem Arbeitgeber-Antrag auf einstweilige Verfügung auf den Tisch. Termin: Freitag, den 2. Februar, 9:00 Uhr. Der Arbeitgeber verfolgt damit das Ziel, die nicht in seinem Interesse liegende Publikation des SAP-Gehaltsystems "außerhalb des Betriebsrats" gerichtlich untersagen zu lassen. Offizielle Begründung des Arbeitgebers ist, dass die den jeweiligen Gehaltsgruppen zugeordneten Orientierungswerte in ihrer Gesamtheit sowie die Budgetverteilungsregeln Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse darstellten. Eine betriebsinterne Publikation könnte die Konkurrenten der SAP in die Lage versetzen, der SAP wirtschaftlichen Schaden zuzufügen. Das obwohl der Arbeitgeber regelmäßig im engsten Kontakt mit den Konkurrenten der IT-Industrie Informationen über die Gehaltssystematiken austauscht und die SAP-Führungskräfte - wir schätzen über 1200 Manager allein bei der SAP AG in Walldorf/Rot - detaillierter über das Gehaltssystem informiert.

Die Geschäftsleitung der SAP lebt (noch) in ihrer eigenen Welt

Man wird in den Unternehmungen außerhalb der SAP AG diesen Gang des Arbeitgebers zum Arbeitsgericht wohl kaum verstehen, denn fast überall werden zumindest innerbetrieblich die Entlohnungsgrundsätze und die Gehaltsmodalitäten ganz selbstverständlich publiziert. Tariftabellen liegen in fast sämtlichen Betriebsräten deutscher Unternehmen offen aus. Nur so können sich die ArbeitnehmerInnen vor allzu großer Willkür schützen. Noch dazu sind laut Betriebsverfassungsgesetz "Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen" und "Festsetzung leistungsbezogener Entgelte", also sämtliche Fragen der betrieblichen Entlohnungsgrundsätze gemäß § 87 Abs.1 Ziff. 10 und 11 BetrVG mitbestimmungspflichtig (siehe Linkliste unten).

Ein modernes Unternehmen braucht eine informierte Belegschaft

Wir bedauern es außerordentlich, dass der Arbeitgeber den Schritt zu mehr innerbetrieblicher Offenheit und Transparenz (noch) nicht unterstützt. Aus unserer Sicht stellt das durch den Arbeitgeber gestartete Gerichtsverfahren aber eine gute Gelegenheit dar, außerbetrieblich klären zu lassen, ob SAP zu Recht ihr mitbestimmungspflichtiges Gehaltssystem geheim halten darf. Nach dem Gerichtstermin am 2.2.2007 haben wir jetzt den Eindruck, dass das Arbeitsgericht Mannheim der ProBetriebsrat-Argumentation folgt. SAP müsste demnach sein Gehaltssystem der Belegschaft endlich offenlegen. Auch die Arbeitgeberseite scheint davon auszugehen. Sie zeigte im Verlauf des Verfahrens endlich Bereitschaft, mehr Informationen über das Gehaltssystem an die Belegschaft zu kommunizieren, allerdings ohne Präzisierung, was sie unter "mehr" versteht. Die Entscheidung des Gerichtsverfahrens ist auf Dienstag 6.2.07 festgesetzt worden.

Erste Ergebnisse

Ein positives Ergebnis hat das Verfahren auf jeden Fall jetzt schon: Alle Unterlagen, die die ProBetriebsratsmitglieder im Betriebsrat eingefordert, die aber der Arbeitgeber dem Betriebsrat nie schriftlich übergeben hat, waren selbstverständlich bei dem anwaltlichen Schriftsatz dabei. Die drei ProBR-ler werden diese Unterlagen allen Betriebsratsmitgliedern als Arbeitsunterlage zur Verfügung stellen. Jede Mitarbeiterin, jeder Mitarbeiter kann sich dann an das Betriebsratsmitglied seines Vertrauens wenden.

Wir berichten weiter, wenn das Gericht sich geäußert hat.


Statement der Liste ProBetriebsrat:

Ein Wort zur Rolle der Gewerkschaften für uns in dieser Frage: Wenn man kein Jurist ist und plötzlich ein Einschreiben vom Gericht zugestellt bekommt, "Ladung zum persönlichen Erscheinen im Beschlussverfahren ...", dann ist es schon sehr hilfreich und auch beruhigend, wenn man sich nicht erst lange auf die Suche nach kompetenter Unterstützung machen muss. Ohne professionelle Rückendeckung könnte man schnell zum Aufgeben geneigt sein; die Leidtragenden wären dann am Ende die Kolleginnen und Kollegen.

Ralf, Eberhard und Johannes

Letzte Änderung: 20.03.2013