Politiker sagen Hilfe bei Microsemi zu

IG Metall Verwaltungsstelle Heidelberg

06.04.2018 Auf Einladung der IG Metall Heidelberg fand vor Ostern in Sinsheim ein Treffen von Betriebsratswahl-Kandidaten von Microsemi Vectron (Untergimpern) mit Vertretern von SPD, Grünen und Linken statt.

Auf Einladung der IG Metall Heidelberg fand vor Ostern in Sinsheim ein Treffen von Betriebsratswahl-Kandidaten der Firma Microsemi Vectron (Untergimpern) mit Vertretern von SPD, Grünen und Linken statt. Am 09.01.2018 wurde den Beschäftigten in einer Absichtserklärung mitgeteilt, dass das Werk bis Ende 2019 geschlossen werden soll.
Diese Absichtserklärung wurde am 20.03.2018 von Microsemi Vectron wieder zurückgenommen.

Seit Monaten beschäftigt das Thema Microsemi (Neckarbischofsheim-Untergimpern) die Öffentlichkeit (bis Mitte Dezember 2017 gehörte das Werk noch Vectron). Auf Einladung von IG Metall-Gewerkschaftssekretär Türker Baloglu nahmen fünf Kandidatinnen und Kandidaten der IG Metall-Liste (Walter Reibold, Jutta Kamuf, Ralf Olbert, Christine Fichtner, Mathias Fischer) für die bei Microsemi Vectron Mitte April anstehende Betriebsratswahl an einem eineinhalbstündigen Informationsaustausch im Sinsheimer IG Metall-Büro teil. Von der Politik waren Bundestagsabgeordneter Lars Castellucci (SPD), Landtagsabgeordneter Hermino Katzenstein (Bündnis 90/Die Grünen) und für die Linke Christian Anschütz (Sinsheim) der Einladung gefolgt; für den DGB-Ortsverein Kraichgau der stellvertretende Vorsitzende Gerhard Balner. CDU-Landtagsabgeordneter Albrecht Schütte konnte aufgrund Urlaubs nicht teilnehmen und bat um gesonderte Information.

An Beispielen schilderten die Kolleginnen und Kollegen den Politikern anschaulich die auf höchstem technischem Niveau stattfindende betriebliche Entwicklung und Produktion von Schwingquarzen, Oszillatoren, Bauteilen und Sensoren für die Telekommunikations- und Messtechnik. Jeweils weit über eine Million Quarze und Oszillator-Baugruppen werden pro Jahr unter extremsten Genauigkeits- und minimalsten Ausfallvorgaben hergestellt. Bei Verlagerung an andere Standorte oder nach Fernost ist für die Beschäftigten kaum vorstellbar, dass diese Qualität und die Kunden gehalten werden können. Nach entsprechenden Nachfragen waren sich die Parteienvertreter einig, dass die Belegschaft zu Recht stolz auf diese Leistungen sein kann und Unterstützung braucht. Das Untergimperner Werk hat derzeit 184 erfahrene Beschäftigte (je zur Hälfte Frauen und Männer), die überwiegend seit mehr als 20 Jahren eng zusammenarbeiten. Mit seiner außergewöhnlichen Produktqualität und -Präzision ist der Betrieb einer der vier wichtigsten Technologieführer und Lieferant von Komponenten für Mobilfunk-Netzwerke und Basisstationen der weltweit führenden Unternehmen im Bereich IT und Netzwerke.

Anschließend gingen die Beschäftigten und Baloglu ausführlich auf die betriebliche Entwicklung der vergangenen Jahre ein, vor allem den "Schock" der im Januar erfolgten Verlagerungs- und Schließungsmitteilung sowie die sich in jüngster Zeit rasant überschlagenden Ereignisse. 1974 als Telequarz ("Kraichgau-Cristal Valley") gegründet, war die Firma Mitte der 80er Jahre mit 660 Beschäftigten noch größter Betrieb im nördlichen Kraichgau. In den letzten 20 Jahren wurde das Werk im Wechsel nacheinander von den US-Konzernen Oak, Corning und Vectron übernommen. Microsemi (Kalifornien) hat die nach knapp vier Wochen am 9. Januar mitgeteilte Schließung der Untergimperner Produktion bis Ende 2019 am 20. März wieder zurückgenommen.

Die von der IG Metall propagierte Vorgehensweise, für den Erhalt des Betriebs zu kämpfen und nicht vorschnell über einen Sozialplan zu verhandeln, erwies sich als richtig. Gleichzeitig hat Halbleiter-Hersteller Microchip (Arizona) mit fast 10 000 Beschäftigten und rund zwei Milliarden Euro Umsatz angekündigt, bis Ende des zweiten Quartals 2018 den halb so großen Microsemi-Konzern zu übernehmen. Für die Belegschaft in Untergimpern wäre dies der sechste Eigentümer.

Baloglu und die anwesenden Beschäftigten bedankten sich bei den Politikern für ihr Kommen und baten sie um weitere aktive Hilfe, mit ihren Möglichkeiten dazu beizutragen, dass das Werk erhalten bleibt. H. Katzenstein (Grüne) berichtete: "Die Geschäftsführung hat ein von mir vorgeschlagenes Gespräch leider abgelehnt, daher bin ich froh über dieses Treffen und hoffe, dass wir gemeinsam weiterkommen." C. Anschütz (Die Linke) zeigte sich ebenfalls entsetzt über eine mögliche Schließung: "Sie scheint noch nicht vom Tisch. Wir sind zu jeglicher Unterstützung bereit, auch in der Öffentlichkeit." L. Castellucci (SPD) erklärte: "Wir Abgeordneten sollten jetzt alle an einem Strang ziehen, um die Beschäftigten bestmöglich zu unterstützen."

Microsemi Vectron Neckarbischofsheim steht unter enormem Kosten- und Wettbewerbsdruck. Bei Lohnerhöhungen gab es in den vergangenen zwei Jahrzehnten im Schnitt meist nur ein Teil der Metalltarifabschlüsse, berichteten die Kollegen. Seit der Krise 2008 musste auch mehrmals Kurzarbeit durchgeführt werden. Das Werk verfügt über eine qualifizierte Ausbildung. Aufgrund der unsicheren Unternehmenssituation wird es zunehmend schwerer, jüngere und gut ausgebildete Fachkräfte in der Firma zu halten.

Angesprochen wurden daher seitens IG Metall und Beschäftigten auch finanzielle Fördermittel: Nicht Lohnzuschüsse, sondern Fördergelder aus diesbezüglichen Fonds (EU, Bund, Land, Kreis); verbunden mit Beschäftigungsgarantien sollten daraus auch Betriebe wie Microsemi Vectron Infrastrukturmittel für Innovation, neue Produkte und Standbeine schöpfen können - was sicher auch für den jeweiligen Eigentümer von Interesse ist. (Laut RNZ vom 29./30.03.18 hat zum Beispiel das neugegründete Unternehmen Gelinova im 13 km entfernten Neidenstein mit 35 Beschäftigten vor kurzem 400 000 Euro aus dem "Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum - ELR, Spitze auf dem Land! Technologieführer für Baden-Württemberg" zugesprochen bekommen.)

Die Vertreter der Parteien sagten zu, die Vorschläge zu prüfen und bei den jeweiligen Institutionen, insbesondere dem Wirtschaftsministerium des Landes, vorzusprechen. Ende April soll die Verbindung zu Betriebsrat und IG Metall wieder aufgenommen werden.

Seit Januar hat sich der gewerkschaftliche Organisationsgrad in Untergimpern vervielfacht und liegt inzwischen bei 50 Prozent. IG Metall und Mitglieder sehen in der Übernahmeankündigung durch Microchip bisher nur eine Absichtserklärung. Auch stehen offene Kartellrechtsfragen und drohende Synergieeffekte im Raum. So verfügt Microchip keine 30 km entfernt bereits über einen Standort in Heilbronn. Standort- und Beschäftigungszusagen für die Belegschaft in Neckarbischofsheim gibt es derzeit nicht. Für den neuen Betriebsrat stellt sich nach Ansicht der IG Metall daher unmittelbar nach der Wahl die Aufgabe, darüber nicht nur mit der örtlichen Geschäftsführung zu sprechen; sondern vor allem auch direkte Gespräche und Verhandlungen mit den Verantwortlichen von Microsemi beziehungsweise Microchip in den USA einzuleiten, um die weitere Zukunft des Unternehmens abzusichern.

Anhang:

BR-Kandidaten bei Microsemi Vectron

BR-Kandidaten bei Microsemi Vectron

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Letzte Änderung: 06.04.2018